Aus den Feuilletons

Druck dir einen Rembrandt

Das Bild "Jakobs Segen" von Rembrandt.
Original-Rembrandt - oder 3-D-Druck? © picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Von Ulrike Timm · 10.04.2016
Rembrandt gibt es nun " zum Selbstausdrucken wie Falschgeld", schreibt die "FAZ". Das Projekt "The Next Rembrandt" lässt mit Hilfe eines Algorithmus und eines 3-D-Scans neue Bilder entstehen, die einem original Rembrandt-Gemälde erstaunlich nahe kommen.
Rembrandt malt wieder. Oder nein: er druckt.
"‘The Next Rembrandt' wird von den Kunsthistorikern, Informatikern und Ingenieuren, die hinter ihm stehen, als wahr gewordener Traum gefeiert: einen Ausnahmekünstler 347 Jahre nach seinem Tod 'zurückzuholen' und ein weiteres Gemälde schaffen zu lassen – mit Hilfe eines Algorithmus."
So lesen wir in der FAZ. Also doch kein Auferstehungswunder. Aber digitale Analyse, 3-D-Scans und durch das Werk gefräste Erkennungssoftware vermaßen rembrandttypische Nasen, Augen und Ohren ebenso wie seine Technik des Farbauftrags, Fazit:
"Ein typischer Rembrandt ist das Portrait eines kaukasischen Mannes zwischen dreißig und vierzig Jahren mit Bart, dunkler Kleidung und Hut, dessen Gesicht nach rechts weist."
Aha. Alles einmal durch den 3-D-Drucker - fertig ist "New Rembrandt":
"Brauner Hintergrund, helle Schattierungen, knubbelnasiger Mann mit weißer Halskrause. Rembrandtstyle zum Selbstausdrucken wie Falschgeld."
Bloß "Von Leben keine Spur", stellt die FAZ erleichtert fest. Das Innerste der Kunst blieb unerwischbar.
"Vielleicht ist 'The New Rembrandt' auch einfach nur ein Beweis dafür, dass der Mensch schlicht nicht zu ersetzen ist und ein Genie unberechenbar bleibt."

"Hätte Thomas Mann getwittert?"

Wir bleiben auf der Schnittstelle von genial und digital - Können Sie sich Thomas Mann twitternd vorstellen? Ok, scheitert schon an den wenigen Zeichen, der Meister liebte lange Sätze… Aber:
"Hätten Schriftsteller wie Thomas Mann oder Ingeborg Bachmann bereits soziale Netzwerke wie Facebook oder Whatsapp genutzt - was wüssten wir über die politische Haltung der großen Denker, was über ihre glücklichen und unglücklichen Lieben?"
Literaturwissenschaftler und Literaturarchive sind jedenfalls heftig dabei, sich auf digitale Nachlässe einzustellen - einige sind schon da:
"Neun Festplatten, 648 Disketten, 100 CD-Roms… vererbte der Medien- und Literaturwissenschaftler Friedrich Kittler."
Das digitale Erbe böte auch Chancen, lesen wir in der FAZ, etwa, wenn es darum geht, die Entstehungsstufen eines Werkes zu rekonstruieren. Und dass Thomas Mann, wäre er heute ein junger Schriftsteller in den 20ern, sein Werk in die Schreibmaschinentasten haute statt in den Computer, das glaubt wohl niemand. Aber trotzdem, jede Wette - er hätte nicht getwittert, so viel Snobismus muss sein!

Krisenteam bei Facebook

Der fröhlich digitalen Welt setzt die SÜDDEUTSCHE ein Contra entgegen. "Auf Facebook teilen? Muss nicht sein", heißt es. Denn das Kerngeschäft des Konzerns ist rückläufig. Fünf Prozent weniger Inhalte wurden 2015 geteilt, "all die Babybilder, Hochzeitsfotos und anderweitige Erfolgsbeweise" - gar 21 Prozent weniger. Vor allem bei Nutzern unter 30 mache sich der Schwund bemerkbar, lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN. Könnte es sein, dass Nutzer doch nicht wollen, dass potenzielle Chefs und Schwiegermütter den geposteten Wochenendsuff am anderen Ende des Kanals gleich mitkriegen? Facebook hat jedenfalls ein "Krisenteam gegründet, um seine Nutzer wieder zu mehr Mitteilsamkeit anzuregen".
Weder neu drucken noch posten kann man antike Kunst. Was weg ist, ist verloren. "Es gibt gesicherte Erkenntnisse, dass sich Terrororganisationen auch über die Vermarktung von geplündertem Kulturgut finanzieren - und dass Deutschland da eine unrühmliche Rolle spielt", so Michael Müller-Karpe. Im TAGESSPIEGEL prangert der Kriminalarchäologe "laxe Strafverfolgung, mangelhafte Gesetzesänderungen und den gleichgültigen Kunsthandel" an, alles zusammen würde den florierenden Handel mit Antiken befördern. Völlig ungeniert könne man antike Kunstgegenstände ungeklärter Herkunft kaufen. Das eindrucksvolle Interview mit Müller-Karpe, der auch Gutachten für Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaft erstellt, steht im TAGESSPIEGEL, samt Verzweiflungsausruf:
"Was erwarten wir denn? Dass an den Blutantiken ein adrettes Schildchen hängt:‚mit freundlichen Empfehlungen von Ihrem Islamischen Staat‘?"
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