Aus den Feuilletons

So viele gehören ausgezeichnet

04:20 Minuten
Das Bundesverdienstkreuz
Wem gebürt im Moment nicht alles ein Bundesverdientkreuz? © imago stock&people
Von Klaus Pokatzky · 29.04.2020
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Wer ein Bundesverdienstkreuz bekommt, hat "herausragendes" für die Gesellschaft geleistet. Wenn das der Maßstab ist, prädestinieren sich Menschen dafür gerade zuhauf. Wenn sie ihre Orgel in einen LKW verfrachten, um vor Pfegeheimen zu spielen, wie die "SZ" beispielsweise schreibt.
"Was ist schon normal in diesen Wochen und Monaten?", heißt es im Berliner TAGESSPIEGEL. "In denen ältere und pflegebedürftige Menschen mehr als sowieso in ihren Mauern, ja doch, eingesperrt, sind?", fragt Udo Badelt – und präsentiert uns dann eines dieser wunderbar ermutigenden Beispiele von Menschen, die etwas für ihre Mitmenschen tun.
Cameron Carpenter, ein in Berlin lebender amerikanischer Organist, fährt mit einem Lastwagen durch die Hauptstadt. "Jetzt spielt er bis Samstag vor 26 Pflege- und Obdachloseneinrichtungen je 20 Minuten auf der Lkw-Ladefläche, auf einer elektronischen Viscount-Orgel." All you need is Bach: "Zehn Minuten Fuge in G-Dur BWV 577, dann noch mal zehn Minuten lang fünf Variationen aus den Goldberg-Variationen."
Wie vor dem Senioren- und Seniorinnenwohnheim John F. Kennedy in Berlin-Wittenau: "Sein Publikum hat sich hinter den Fenstern versammelt, im Rollstuhl, stehend, auch die Pflegekräfte hören zu." Wenn wir Corona überstanden haben, wird unser Bundespräsident sehr viele Bundesverdienstkreuze zu verleihen haben.

Gespenstische Blicke

"Unsere Tochter ist mit ihren drei eigentlich schulpflichtigen Kindern eingetroffen", lesen wir in der Wochenzeitung DER FREITAG (Printausgabe). "Sie haben für uns eingekauft, weigern sich aber wegen Corona, das Haus zu betreten." So beschreibt der 81-jährige Schriftsteller Michael Buselmeier seinen Alltag. "Die Enkel hocken also mit frisch desinfizierten Händen im Gras auf einer mitgebrachten Decke; durch ihre Gesichtsmasken entstellt, schauen sie mich wie Gespenster an." Auch das gehört zum Alltag in der Epidemie.
"Wie das Böse überhaupt wurde die Pest stets als etwas geschildert, das von außen kam", wirft die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG einen Blick in die Geschichte. "Die häufigsten Gerüchte bei einem Ausbruch der Pest galten der Frage, wer die Krankheit eingeschleppt hatte", schreibt der türkische Literat Orhan Pamuk (Bezahlangebot) – und kann darin nur beängstigende Aktualität erkennen: "Mitte März, als sich Furcht und Panik in der Türkei zu verbreiten begannen, erklärte mir der Filialleiter meiner Bank in Cihangir, dem Viertel in Istanbul, in dem ich lebe, mit wissender Miene, bei 'dieser Sache' handle es sich um Chinas Antwort auf die Vereinigten Staaten und den Rest der Welt."

Mit Galgant und Fenchel gegen Lungenleiden

Da werfen wir lieber noch einen Blick in längst vergangene Zeiten – aber mit einem lachenden Auge. "Dein Lebensmittel sei dein Arzneimittel, und dein Arzneimittel sei dein Lebensmittel", zitiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG den antiken Arzt Hippokrates (Printausgabe). "Wie man sich ganz leicht gesund essen kann, wissen die Menschen seit Anbeginn der Zivilisation", ermuntert uns Jakob Strobel y Serra – und liefert einen passenden Tipp der Heiligen Hildegard von Bingen. "Gegen Lungenübel: Man nimmt Galgant und Fenchel zu gleichen Teilen und zweimal so viel Muskatnuss." Galgant ist übrigens ein Ingwergewächs; die Chinesen haben es schon vor 1500 Jahren genutzt.
Die SÜDDEUTSCHE lässt regelmäßig sechs Literaten aus sechs Ländern berichten, wie sie mit dem Virus leben. "Die Regierungsentscheidungen für den Fastenmonat Ramadan sind ein Schlag für alle, die wie ich ein Maximum an Vorsichtsmaßnahmen befürworten", schreibt Khaled al-Khamissi jetzt aus Ägypten (Printausgabe). "Der Beginn der Ausgangssperre ist von anfangs sieben Uhr abends, dann acht, nun auf neun Uhr verschoben." Aber er hat auch einen Corona-Witz parat: "Auf den Straßen sind viele Menschen unterwegs. Hoffen wir, dass sich wenigstens das Virus an die Auflagen hält und zu Hause bleibt."
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