"Selbstgerechte Predigt"

Zur Lösung der Flüchtlingsproblematik hat Heribert Prantl in der "SZ" den Text "Im Namen der Menschlichkeit" publiziert. Er schlägt vor, Flüchtlinge sollten in entvölkerten Gegenden "als Bauern um ihr Leben ackern". Die "Welt" knöpft sich den Artikel vor.
"Moralische Diktatur."
Mit diesen zwei Worten kanzelt Dirk Schümer in der Tageszeitung DIE WELT Vorschläge seines Kollegen Heribert Prantl aus der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung" ab, die er zur Lösung der akuten Flüchtlingsproblematik unter der Überschrift "Im Namen der Menschlichkeit" in die Diskussion warf. Erschienen ist diese "selbstgerechte Predigt", so urteilt Schümer, auf 32 Seiten im Ullstein Verlag. Schauen wir uns das genauer an. Völlig zu Recht beklage Prantl die menschenfeindliche Taktik, den Strom von Kriegs- und Armutsflüchtlingen von Europa fernzuhalten.
"Nirgendwo ist", so Schümer weiter, "das Versagen der politischen Klasse schreiender, ist der Mangel an europäischer Kooperation augenfälliger."
Der jüngst vorgelegte Asylkompromiss der EU befördere keine Milderung der Tragödie. Nun kommt Prantl ins Spiel mit seinem Vorschlag – so steht es in der WELT, er fordert die Abschaffung aller Grenzanlagen und -kontrollen.
Damit ruft er Schümers Protest hervor: Schon mit der Ankündigung, Europa halte für jeden Gast freien Antransport, freie Ortswahl, ärztliche Versorgung, Schule, Wohnung und Grundeinkommen parat, würde sofort einen gigantischen Ansturm auf die viel geschmähte "Festung Europa" auslösen.
"Bräche nicht jedes Sozialsystem sofort zusammen, und: Was wäre beim Wegfall aller Zäune und Kontrollen mit der Ukraine, dem Kosovo? Was mit China, dem subsaharischen Afrika, Südamerika? Was mit den islamistischen Gotteskriegern? Das würde Europa als Wertegemeinschaft nicht überstehen."
Besonders empört ist der WELT-Redakteur über Prantls Vorschlag, die Flüchtlinge "sollten in weitgehend entvölkerten Landschaften als Bauern um ihr Leben ackern". In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise "sollten sich die Migranten mit den Erfahrungen ihrer uralten Subsistenzwirtschaft eine bescheidene Existenz aufbauen", so Prantls Vorschlag.
Jan Philipp Reemtsma hält Abschiedsvortrag
Aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erfahren wir, dass der Gründer des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, am kommenden Freitag seinen Abschiedsvortrag halten wird. Seine Rede hat er unter den Titel "Gewalt als attraktive Lebensform betrachtet" gestellt. Vor 30 Jahren hat Reemtsma das Institut gegründet und dessen Leitung im April an den Professor für international vergleichende Sozialwissenschaften aus Göttingen, Wolfgang Knöbl, weitergegeben.
Das Institut ist bekannt für die Wehrmachtsausstellung, die Chronik der Protestbewegung, für Studien zur Gewaltgeschichte. Es beschäftigt mehr als 60 Mitarbeiter, ediert die Zeitschrift "Mittelweg 36" und ist Eigner des Verlages Hamburger Editionen. Ob Krisenzeiten eigentlich gute Zeiten für die Sozialforschung seien, fragt Jens Bisky. Reemtsma antwortet:
"Nenne mir einer eine krisenfreie Zeit. Es ist die Aufgabe der Sozialwissenschaften, einen Vorschlag zu machen, worin die Krise besteht, und diesen Vorschlag unter die Leute zu bringen. Und wie sich eine solche Diagnose zu dem verhält, was in der Gesellschaft sonst so geredet wird."
Russischer Mäzen droht mit Schließung seiner Stiftung
Ebenfalls die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG informiert darüber, dass "russische Behörden Dutzende von Stiftungen und Vereine als 'ausländische Agenten' diffamieren. Manche erinnert es an den gelben Stern", schreibt Tim Neshitov. "Nun trifft es den größten Mäzen des Landes." Gemeint ist Dmitrij Simin.
"Seine Stiftung vergibt Stipendien und Preise, verlegt populärwissenschaftliche Bücher, veranstaltet Sommerschulen, zu denen sie Nobelpreisträger einlädt, kurz: was man als Mäzen so macht, um junge Leute für die Wissenschaft zu begeistern und zu verhindern, dass sie danach in Richtung Harvard oder Silicon Valley durchbrennen. Geplantes Budget der Stiftung dieses Jahr: 7,5 Millionen Euro."
Nun erwartet der Milliardär eine Entschuldigung, ansonsten, so hat er angekündigt, macht er seine Stiftung dicht.