Afghanischer Flüchtling

Langer Weg in ein neues Leben

Container-Terminal im Hamburger Hafen
Im Hamburg fand der Afghane Peyman Esmailzadeh eine Ausbildungsstelle zum Zahntechniker - sein Meister ist sehr zufrieden mit ihm. © Manfred Götzke
Von Manfred Götzke · 23.01.2015
Jedes Jahr fliehen 6500 Jugendliche aus Krisengebieten nach Deutschland. So auch Peyman Esmailzadeh. In Afghanistan drohten die Taliban, ihn umzubringen. Heute nennt er Deutschland seine zweite Heimat und macht eine Ausbildung zum Zahntechniker.
"Ich bin schon vier Jahre, elf Monate, heute ist der 26. – und 24 Tage hier! – So genau wissen Sie das? – So genau weiß ich das. – Weil Sie sich so gefreut haben, in Deutschland anzukommen? – Ja!"

Peyman Esmailzadeh weiß bis auf den Tag genau, wie lange er in Deutschland ist. In seiner zweiten Heimat, wie er es nennt.

"Dieser Kontakt ist wieder schon da, ein roter Punkt, den schleife ich jetzt hier mal ab."

Mit perfekt gestylter Frisur, gewienerten Lederschuhen und weißem Polohemd mit Firmenlogo sitzt Peyman an seinem Arbeitsplatz. Ein Zahntechniklabor in einem Vorort von Hamburg. Mit präzisen, ruhigen Handbewegungen fräst er an einer Zahnschiene aus Kunststoff. Der schlanke Afghane ist jetzt im zweiten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Zahntechniker.

"Das war meine Wunschausbildung, und ich habe nicht gedacht, mit meinem Abschluss kriege ich so eine geile Ausbildung. Von acht Bewerbungen hat sich erstmal keiner gemeldet. Aber zum Glück hat mein Chef angerufen und wollte gerne einen Termin machen. Ganz ehrlich, ich hatte nicht gedacht, ich kriege überhaupt eine Ausbildung. Aber ich dachte, ich versuche es. Und ich hab das geschafft!"
Flucht aus Afghanistan mit 16 Jahren, allein
Als Peyman vor vier Jahren in Hamburg gestrandet ist, hätte er von seinem heutigen Leben, mit Ausbildung, eigener Wohnung, Freunden und netten Kollegen nicht zu träumen gewagt. Peyman musste von einem Tag auf den anderen seine afghanische Heimat verlassen. Mit 16. Allein. Peymans für afghanische Verhältnisse wohlhabender Vater wurde von den Taliban erpresst: Geld oder wir töten deinen ältesten Sohn.

"Das Problem: Wenn man Geld gibt, kommen die Leute wieder, wollen mehr Geld haben. Dann hat mein Vater die Lösung gehabt: Es ist besser, wenn du weg gehst, denn es ist schon passiert in Afghanistan, dass Eltern kein Geld gegeben haben. Und nach ein paar Tagen kommt die Leiche von dem Kind oder Körperteile. Eines Abends, mein Vater ist zu mir gekommen, du musst deine Sachen packen, nicht so viel, du musst weg, ich hab ihn gefragt, warum muss ich weg."

"Haben Sie noch Kontakt zu ihren Eltern?"
"Nein."
"Warum nicht?"
"Darüber will ich nicht reden."
"Aber sie leben beide noch?"
"Meine Mutter ist gestorben, mein Vater lebt noch."
Flucht im klapprigen Fischerboot
Peyman spricht nicht so gern über die Erpressung und über seinen Vater. Er hat wohl Angst um ihn, denn ein Sohn in Deutschland könnte für Taliban-Erpresser noch lukrativer sein als ein Sohn in Afghanistan.

Monatelang war er auf der Flucht – von Afghanistan durch den Iran, dann weiter in die Türkei. An der Küste ist er mit anderen Flüchtlingen in ein klappriges Fischerboot gestiegen.

"Als ich das Boot gesehen hab, es war für zehn Personen und wir waren 34, ich hab gedacht, wie kann man mit so vielen Leuten mit so einem Boot fahren? Aber ich musste fahren, es gibt keine Möglichkeit. Zurück kannst du nicht, es gibt nur eine Lösung: Du musst weitermachen. Ich sag ganz ehrlich: Da hat Gott uns geholfen."

Als das Boot kurz davor war zu sinken, hat sie die griechische Küstenwache gerettet. Doch in Griechenland saß Peyman wochenlang in Abschiebehaft, bis Menschenrechtler die Minderjährigen aus dem Gefängnis holten. Schließlich hat ihn sein Schleuser nach Hamburg gebracht.
Meister wählt Azubi wegen handwerklichen Geschicks aus
An seiner Zahnschiene kommt Peyman an einem heiklen Zahn nicht mehr weiter. Was bei ihm eher selten der Fall ist. Sein Lehrmeister, Heino Hauschild übernimmt.
"Ich fürchte, wir kommen nicht drum herum."

Der Zahntechnikmeister ist sehr zufrieden mit seinem afghanischen Azubi. Dass er vor zwei Jahren einem jungen Mann eine Chance gegeben hat, der damals nicht so gut deutsch sprach wie jetzt, hat allerdings weniger mit Nächstenliebe zu tun.

"Peyman hat hier anrufen lassen von einer Mitarbeiterin der AWO, dann kam Peyman mit einem Mäppchen und Frau Karrenbauer, die auffällig sehr schönen Schmuck trug. Als ich hörte, den hat Peyman gemacht, hab ich gedacht, den muss ich haben. Weil er in der Metallverarbeitung etwas an den Tag legt, was ich nicht hinkriege als Zahntechnikmeister. Und da habe ich gedacht – der ist der Richtige."

Nur ob Peyman auch die Berufsschule packt, da hatte Hauschild Bedenken. Schließlich hatte er selbst als Deutscher damals so seine Probleme gehabt.

"Aber mittlerweile macht Peyman das gut. Er wird nicht unbedingt ein Zweierkandidat werden, aber vielleicht schafft er ne drei, da wäre ich auch mit zufrieden."
"Würden Sie ihn übernehmen?"
"Wenn sich das so zeigt wie jetzt, mit der Auftragslage, ja."
Zukunft in Deutschland
Peyman hat es hier geschafft, weil er jeden Tag an seiner Zukunft arbeitet, stundenlang Deutsch lernt und mit den Behörden um Ausbildungsbeihilfe oder Wohnungsgeld kämpft. Für ihn steht längst fest: Nach Afghanistan kann und will er nicht mehr zurück.
"Die Heimat vergisst man niemals, aber es ist Katastrophe in der Heimat. Ich möchte gerne hier bleiben, es ist die zweite Heimat für mich. Ich mache hier die Ausbildung, dann mache ich meine Arbeit, dann, in Zukunft, mache ich meine Meisterschule."

Reporter: "Trauen Sie ihm das zu?
Meister Hauschild: "Ja, das traue ich ihm zu!“
Mehr zum Thema