Aus den Feuilletons

Reinhold Beckmann spricht über Kunst

Reinhold Beckmann auf der Frankfurter Buchmesse
Reinhold Beckmann auf der Frankfurter Buchmesse © dpa / picture alliance / Susannah V. Vergau
Von Hans von Trotha · 04.07.2016
Viel Häme hat Fernsehmoderator Reinhold Beckmann für seine Fußball-EM-Sendung "Beckmanns Sportschule" einstecken müssen. Die "SZ" gibt ihm nun ein Podium zur Verteidigung des ARD-Formats - und entlockt ihm eine verblüffende Selbsteinschätzung.
"Fußball und Sex sind auch keine Lösung", behauptet Alan Posener in der WELT. Er denkt dabei allerdings nicht an England nach dem Brexit, sondern an zwei neue Filmkomödien über den Nahostkonflikt.
Fazit: "Israelis und Palästinenser sind sich zum Verwechseln ähnlich. Sie sind wie Jack Lemmon und Walter Matthau: Sie können nicht miteinander, und ohne schon gar nicht."
Was schon wieder an das Verhältnis zwischen Großbritannien und "Europe" erinnert – wobei ausdrücklich der Kontinent gemeint ist, nicht dessen derzeitige Administration, über die der irische Schriftsteller Colm Tóibín in der SÜDDEUTSCHEN ätzt:
"Die europäische Kommission wirkt wie eine Organisation, deren Hauptfeind die jetzige europäische Bevölkerung ist. (...) Nun, da England und Wales dafür gestimmt haben, die Union zu verlassen, wäre es leicht für die EU, einer Art Post-Empire-Belastungsstörung dafür die Schuld zu geben."

Asynchron zu unseren Zeiten

Ein interessanter Gedanke, der in derselben SÜDDEUTSCHEN mit Bernd Graffs Bericht von einem Blog Futter erhält, das "die erlebten Stresssymptome der Viktorianer medizinisch, kulturell und literarisch untersucht und auflistet".
"Die Briten des 19. Jahrhunderts", heißt es da, "fürchteten die Konsequenzen neuer Technologien des Industriezeitalters wie Eisenbahn und Telegramm für den Menschen und sein soziales Leben …: Körper und Geist könnten … mit den viel zu rasant aufeinander folgenden Neuerungen und Anforderungen der modernen Welt nicht mehr Schritt halten. Der Mensch werde asynchron zu seinen Zeiten."
Mit diesem Erbe wirkt es fast schon konsequent, dass sich die Briten von heute für asynchron zu unseren Zeiten erklären. Wobei sie nicht bedacht haben dürften, dass sich künftig die Rohstoffe nicht mehr so leicht werde besorgen lassen, die man braucht, um englische Luft zu "italianisieren".
Ja, das Blog diseasesofmodernlife.org erinnert an das lange vernachlässigte Ammoniaphone, das im Zuge eines aufkeimenden Europaheimwehs wieder an Popularität gewinnen könnte. Das ist ein Gerät, "das ein gewisser Dr. Carter Moffat ersonnen hatte. Der Chemie-Professor wollte … 'hochkonzentrierte, künstlich italianisierte Luft' damit in eine portable Form bringen. Denn der Mann hatte entdeckt, dass – erstens – die Luft in Italien viel besser war als im heimischen, sich heftig industrialisierenden Glasgow. Und dass – zweitens – Italien so viel bessere Sänger hervorbringt als Schottland."

Boris Johnson erinnert an Lady Diana

Genau um den Ausgleich solcher Missverhältnisse geht es doch der EU. Aber wer weiß, wie lange die Schotten noch Briten sind. Die wollen ja Europäer bleiben. In der FAZ berichtet Gina Thomas von der Insel:
"Wo man auch hinhört, ruft der Ausgang des Referendum bei den Verlieren Gefühle von Ärger, Scham, Trauer, Schmerz, Betroffenheit hervor, als sei das Politische in Umkehrung der Parole aus den sechziger Jahren persönlich geworden. Boris Johnson mokiert sich über eine 'Art von Hysterie, eine ansteckende Trauer', die ihn an die Reaktionen auf den Tod von Diana erinnern und ermahnt die emotionalen Gemüter zur Besinnung zu kommen.'"
Boris Johnson spricht bei einer Pressekonferenz
Boris Johnson spricht bei einer Pressekonferenz© AFP / Leon Neal
Ausgerechnet der. Heizt die Leute auf, zieht den Schwanz ein und hetzt hinterm Busch weiter. Die Ängste "seien der letzte psychologische Tremor des 'Projekts Angst', in dem Johnson den seit dem Vorlauf zum Irak-Krieg massivsten Versuch einer Regierung sieht, die öffentliche Meinung zu manipulieren".
Das haut wahrscheinlich in dem Maß rein, in dem es totaler Quatsch ist. Bei uns kommt derzeit der massivste Versuch, die öffentliche Meinung zu manipulieren, aus Malente.
Wer da nicht gleich auflacht, hat wohl das Glück gehabt, in den letzten Wochen nur ARD zu gucken, wenn Fußball war. Die SÜDDEUTSCHE traut sich tatsächlich, Reinhold Beckmann zu seiner sogenannten "Sportschule" zu interviewen. Und der traut sich, zu antworten.

"Wenn nicht um Mitternacht, wann dann?"

Während die FAZ heute eine neue Serie unter dem Motto: "Was ist gute Kunst" beginnt, weiß man das in Malente schon: "Wir hätten", kritisiert der Künstler Reinhold Beckmann den Künstler Reinhold Beckmann, "nach dem spektakulären Elfmeterschießen unser Konzept einmal sein lassen sollen, es gibt Momente, da hat die Kunst keinen Platz."
Kunst. Das soll er tatsächlich gesagt haben. Und auch das: "Wenn man nicht um Mitternacht etwas Beklopptes senden kann, wann dann?"
Wie gesagt: "Fußball und Sex sind auch keine Lösung."
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