EM-Tagebuch (21)

Frankreich ist der deutsche Halbfinalgegner

Olivier Giroud nach seinem 1:0 gegen Island. Seine Teamkollegen feiern ihn.
Franzosen feiern den 5:2-Erfolg gegen Island © Peter Kneffel, dpa picture-alliancec
Von Thomas Wheeler · 04.07.2016
Im bislang torreichsten Spiel dieser EM gewinnt die Équipe Tricolore 5:2 gegen Island und spielt damit gegen Weltmeister Deutschland um den Finaleinzug.
Ich habe einigen Verwandten und Freunden, die mich gefragt haben, wo sie ein Islandspiel möglicherweise unter Isländern sehen können, empfohlen, es mal bei Tommi`s Burger Joint in Berlin-Mitte zu probieren. Den Laden hat mal ein Isländer eröffnet, der in seiner Heimat, London und Kopenhagen noch andere Fillialen hat. Der Burger soll besonders gut schmecken, hat mir mal der isländische Bundestrainer Dagur Sigurdsson erzählt, der dort ab und zu essen geht. Heute haben die Gäste die sehr schmackhaften Hacksteaks im Brötchen eventuell nicht so leicht 'runterbekommen, wenn sie dort als gebürtige Isländer oder als Anhänger der bei dieser Europameisterschaft überraschend starken Nationalmannschaft das Halbfinale gegen die Gastgeber im Fernsehen verfolgt haben. Denn erstmals bei dieser EURO sind die Fußballer von der Vulkaninsel chancenlos gewesen.
Zehn Minuten Abtastphase vor dem Sturm
Nur so lange hat die bisherige Entdeckung des Turniers, neben den Walisern, mitgehalten. Dann ist es über die Spieler des schwedischen Übungsleiters Lars Lagerbäck geradezu hereingebrochen. Olivier Giroud tunnelt den isländischen Torhüter Halldorsson beim 1:0 in der 12. Minute. Nur sieben Minuten später erhöht der so viel gescholtene Paul Pogba per Kopf nach einer Ecke. Der Lauterer Zweitliga-Profi Bödvarsson vergibt nach 24 Minuten die Möglichkeit zum Anschlusstor. Kurz vor der Pause entscheidet ein Doppelschlag die Begegnung. Erst trifft Dimitri Payet zum 3:0, dann schraubt Antoine Griezmann, einmal mehr Frankreichs Bester, mit einem Heber das Ergebnis sogar auf 4:0.
In der zweiten Hälfte lassen es die Franzosen im Gefühl des sicheren Sieges ruhig angehen, und Island kommt durch Kolbeinn Sigthorsson, Siegtorschütze im Achtelfinale gegen England, in der 56. Minute zur Resultatsverbesserung. Aber nur drei Minuten später stellt Giroud mit seinem zweiten Treffer an diesem Abend den alten Abstand wieder her. Die Männer aus dem hohen Norden stecken jedoch nicht auf und verkürzen nach einigen vergebenen Chancen durch Birkir Bjarnason nach 84 Minuten zum aus ihrer Sicht ernüchternden 2:5-Endstand.
Stolz auf das Erreichte
Aber auch wenn es gegen Les Bleus die erste Lehrstunde bei dieser EM gegeben hat, kann der Neuling mehr als zufrieden sein. Was er bei dieser Endrunde geleistet hat, vor allem mit welcher Leidenschaft, welchem Mannschaftsgeist und welchem Einsatz er aufgetreten ist, beeindruckt. Davon können sich andere Nationen wie die Engländer, deren ehemaliger Übungsleiter Roy Hogdson einen Tag vor dem Achtelfinal-Aus eine Bootsfahrt auf der Seine gemacht hat, mehr als eine Scheibe abschneiden. Liebe Isländer, Ihr habt diese 15. Europameisterschaft sportlich und atmosphärisch bereichert. Vielen Dank.
Der nächste Klassiker bitte
Nach dem halb besiegten Fluch, denn der Weltmeister hat die Italiener auch im neunten Anlauf nicht in der regulären Spielzeit bezwingen können, aber anschließend in einem irrwitzigen Elfmeterschießen niedergerungen, gibt es nun das nächste Duell zweier großer europäischer Fußball-Nationen. Am Donnerstag in Marseille gegen die Hausherrn. Anders als Italien liegen die Franzosen den Deutschen bei Turnieren. Vier WM-Vergleiche hat es bislang gegeben. Nur einmal sind die Blauen als Gewinner vom Platz gegangen. Bei einer EM spielen wir erstmals gegen die Spieler mit dem Hahn auf dem Trikot. Insgesamt ist die DFB-Bilanz gegen unsere Nachbarn allerdings negativ. Zweifellos: Vor dem Hintergrund des EM-Aus von Mario Gomez und der Gelbsperre für Mats Hummels steht ein hartes Stück Arbeit bevor. Zumal auch der Einsatz von Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger fraglich ist. Wahrscheinlich wird es sehr schwer, das Finale zu erreichen, aber unmöglich ist es natürlich nicht.
Ach so, ich bin jetzt noch mal in Frankreich beim ersten Halbfinale Portugal gegen Wales am Mittwoch in Lyon und melde mich von dort aus wieder.
Vorher gönne ich mir an zwei spielfreien Tagen eine Schreibpause. Es sei denn, es sollte etwas in Frankreisch geben, dass mir ein paar einschätzende Worte wert ist.