Aus den Feuilletons

Redeverbot in Köln

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Embryonen haben für Peter Singer kein Lebensrecht. © picture alliance / dpa / Markku Ulander
Von Burkhard Müller-Ullrich · 28.05.2015
Der australische Bioethiker Peter Singer ist für seine harte Thesen zur Embryonenforschung bekannt. Dass die Phil.Cologne-Macher ihn nun kurzfristig ausgeladen haben, erstaunt die Feuilletons deshalb umso mehr. Eine verpasste Chance?
Da uns Bargeld immer ganz besonders interessiert, fangen wir mit diesem an, und zwar mit seinem angedrohten Verschwinden. Das ist zwar an sich nichts Überraschendes, denn jeder weiß, dass Bargeld zum Verschwinden neigt, aber hier, und zwar in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, ist etwas anderes gemeint. Das Bargeld soll nämlich als solches abgeschafft und durch elektronische Zahlungsmittel ersetzt werden. Das hat gewiss viele Vorteile, gibt Johannes Boie zu, und würde auf den ersten Blick kaum einen Unterschied machen, denn, so schreibt er,
"dass der sichtbare Effekt eines Bezahlvorgangs zunächst mal nur eine geänderte Nummer in einem digitalen System ist, daran haben sich die allermeisten Menschen längst gewöhnt."
Dennoch gibt es neben der Gewohnheit und dem Gefühl der Zuverlässigkeit einige Vorteile, die das anonyme Bargeld bietet – und zwar nicht nur für Leute, die etwas zu verbergen haben, sei es einen Besuch im Swinger-Club oder die bloße Tatsache, daß man jemandem etwas zustecken will, das unerkannt bleiben soll.
"Tatsächlich reiht sich das Bargeldende, betrachtet unter dem Aspekt individueller Freiheit, irgendwo zwischen Vorratsdatenspeicherung und den Abhörprogrammen der Geheimdienste ein,"
heißt es in der SÜDDEUTSCHEN.
"Verschwindet das Bargeld, erhalten zentrale Institutionen wie die Zentralbanken und die Steuerbehörden mehr Macht, und der Bürger verliert Macht."
Ob die elektronische und zugleich anonyme Internetwährung Bitcoin sich hier als Hilfe und Ersatz anbietet, ist noch nicht ausgemacht. Der Autor gibt sich aber hoffnungsfroh.
Bekannt für harte Thesen
Ebenfalls in der SÜDDEUTSCHEN, und direkt neben einem großen Bild von Dollarscheinen, kommentiert Michael Stallknecht die brüske Absage eines in Köln geplanten Vortrags des so genannten Bioethikers Peter Singer durch die Veranstalter des Philosophie-Festivals Phil.Cologne. Als Grund geben die Veranstalter an, dass Peter Singer Standpunkte geäußert habe, "die im Widerspruch zu dem humanistisch-emanzipatorischen Selbstverständnis stehen, das die phil.Cologne leitet."
Nun ist der aus Australien stammende, in Princeton lehrende Singer nicht erst seit gestern für seine harten Thesen bekannt. Dass Embryonen für ihn kein eigenes Lebensrecht haben und behinderte Kinder auch nach der Geburt getötet werden dürfen, verlautbart er seit Jahren und nicht erst in einem am letzten Sonntag erschienenen Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung, das die phil.Cologne-Veranstalter anscheinend alarmiert hat.
So problematisch Singers Denken ist, das Redeverbot für ihn findet der SZ-Autor noch problematischer.
"Denkbar gewesen wäre in der Tat die Umwandlung der geplanten Veranstaltung in eine Podiumsdikussion,"
schreibt Stallknecht. Und auch Andreas Rossmann von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG findet:
Kapitulation vor kritischer Auseinandersetzung
"Ihn einzuladen, um ihn dann kurzfristig wieder auszuladen, zeugt von mehr als nur schlechtem Stil, kapituliert man doch hasenherzig vor einer kritischen Auseinandersetzung, die ein 'Internationales Philosophiefest', das die Meisterdenker in Mannschaftsstärke auffährt, sich zutrauen und bestehen können müsste."
Gewiss würde das dann erwartbare Podiumsgegeifer wenn schon nicht den Erkenntnis-, so doch den Unterhaltungswert der Veranstaltung beträchtlich steigern. Auf diesem Prinzip beruhte ja einst das Literarische Quartett im linearen Fernsehen. Jetzt soll die Sendung wiederbelebt werden – mit einer geradezu prekär erscheinenden Besetzung: Volker Weidermann, Maxim Biller und Christine Westermann. „Seltsam zusammengewürfelt“ nennt Gerrit Bartels im TAGESSPIEGEL die Runde, gibt ihr aber eine Chance, denn – so wörtlich:
"Die Erwartungen (…) sind groß: nicht in der Fernsehwelt, in der die Literatur nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Aber doch im Literaturbetrieb, wo man die Kluft zwischen der gefühlten und der momentan real existierenden Bedeutung von Literatur gern wieder schmaler werden ließe."
Schöner hätten es auch die ZDF-Redakteure, Dieter Schwarzenau und Johannes Willms, im Jahr 1988 nicht sagen können, als sie das Literarische Quartett mit dem großen Zuchtmeister Marcel Reich-Ranicki aufs Gleis setzten.
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