Aus den Feuilletons

Pokern mit dem Welterbe

04:16 Minuten
Luftbild des Loreleyfelsen bei St. Goar inmitten des UNESCO-Weltkulturerbegebiets Mittelrheintal
Die geplante Bebauung werde die Loreley-Landschaft verschandeln, befürchtet Matthias Alexander von der FAZ. © picture alliance / dpa / Thomas Frey
Von Burkhard Müller-Ullrich · 27.10.2020
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Mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke wurde Dresden der Welterbestatus aberkannt. Ähnliches könnte sich jetzt durch Bebauungspläne für die Loreley-Landschaft ergeben, wo - trotz Expertenkommission - ein Hoteldorf entstehen darf, schreibt die FAZ.
Nachdem die Feuilletonisten der ersten und dann jene der zweiten Reihe ihr Pulver auf Monika Maron beziehungsweise den S. Fischer Verlag verschossen haben, tritt jetzt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG der Schriftsteller Ingo Schulze an, um Schrotladungen in das "publizistische Umfeld, in das sich Monika Maron begeben hat", zu sprühen. Dieses Umfeld heißt bekanntlich Buchhaus Loschwitz. Es handelt sich dabei um eine Dresdner Buchhandlung, die von Marons Freundin Susanne Dagen geleitet wird.
"Zu Susanne Dagen hatte ich bis zu ihrer sogenannten 'Charta 2017' ein gutes und auch herzliches Verhältnis", schreibt nun Schulze. "Und vielleicht hätte unsere Beziehung sogar die ominöse Charta überstanden, wäre danach nicht der Schulterschluss mit dem Verlag Antaios erfolgt."
Im Folgenden beschreibt Schulze die Formen dieses Schulterschlusses: Zum Beispiel veranstaltet Dagen zusammen mit ihrer Freundin Ellen Kositza eine literarische Talkrunde, die als Video veröffentlicht wird. Kositza ist aber die Frau des Antaios-Verlegers Götz Kubitschek, der Unperson schlechthin für deutsche Linksintellektuelle.

Die Rechte salonfähig machen?

Außerdem hatten die Damen unlängst den Kopf der österreichischen Identitären, Martin Sellner, vor ihre Kamera eingeladen, wo er zwar nichts Strafwürdiges von sich gab, aber Schulze weiß: "Sellner erhielt vom Christchurch Attentäter eine Spende von 1500 Euro, er stand mit ihm nachweislich in Kontakt."
Schulze unterschlägt dabei, dass Sellner diesen Kontakt nicht gesucht hatte und nichts dafür kann, dass ihm der Täter Geld schickte. Aber so dringt die Kontaktschuld argumentativ wie Öl durch einen Stapel Papier.
Was Schulze eigentlich sagen will, steht im letzten Drittel des Textes. Für ihn "ist die Zusammenarbeit des Buchhauses Loschwitz mit dem Verlag Antaios der Versuch, diese völkische Rechte kulturell salonfähig zu machen. Man rollt ihr den roten Teppich aus. Nicht mehr und nicht weniger."
Wie gelangen wir nun von Dresden zum Oberen Mittelrheintal? Ganz einfach: mithilfe der UNESCO-Welterbeliste.

Kommerz schlägt Kulturlandschaft

Dresden wurde bekanntlich wegen der Waldschlößchenbrücke deklassifiziert, was den Besucherstrom aber kein bisschen mindert. Dasselbe Schicksal droht nun der Loreley-Landschaft, wie die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet. Denn auf dem Plateau, dessen Spitze der Loreley-Felsen bildet, soll ein Hoteldorf entstehen:
"Ein fünfgeschossiges, langgestrecktes Hauptgebäude, drei vorgelagerte Trakte, die sich als Weinbergterrassen tarnen, und zehn Hotelvillen mit bis zu vier Geschossen", meldet die FAZ, deren Redakteur Matthias Alexander davon gar nicht begeistert ist. Er moniert, dass die Bauten die Landschaft verschandeln werden, aber die politisch Verantwortlichen offenbar auf die Investition und die dadurch entstehenden Arbeitsplätze scharf waren. Jedenfalls hat sich in der eingesetzten "Lenkungsgruppe" kein Protest geregt:
"In dem Gremium saßen Vertreter von Institutionen, die eigentlich dafür zuständig wären, Unglücke dieser Art zu verhindern. So hatten die Denkmalpfleger keine Einwände, auch der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz stimmte zu. Eingebunden in das Verfahren wurden aus potentiellen Kritikern Verbündete."

Republikfeindlichkeit in Frankreich

Zum Schluss noch ein Blick nach Frankreich.
"Die zunehmende Fragmentierung der französischen Gesellschaft begann um 1970 mit dem spektakulären Niedergang des Katholizismus und dem gleichzeitigen Bedeutungsverlust der 'roten Kirche', das heißt der Kommunistischen Partei", schreibt Wolf Lepenies in der WELT. Er will damit erklären, weshalb sich islamische Milieus der Republikfeindlichkeit ausbreiten und derart erstarken konnten, dass es zu einer Tat wie dem Mord an dem Geschichtslehrer Samuel Paty in einem Pariser Vorort kommt.
Lepenies Text ist eigentümlich inkohärent und wirkt am Ende wie abgeschnitten. Die französischen Kommunisten mögen sich für die drei Universalismen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit stark gemacht haben, eine Gewähr gegen Gewalt und Totalitarismus waren sie nie.
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