Aus den Feuilletons

Phallus-Fantasien beim Bleigießen

Der Silvesterbrauch des Bleigießens wird am 31.12.2013 auf einer privaten Feier in Sieversdorf (Brandenburg) gezeigt. Man erhitzt ein Bleistück über einer Kerze und lässt das geschmolzene Blei in kaltes Wasser fließen. Aus der Form des im Wasser schlagartig erkaltenden flüssigen Bleis wird die Zukunft gedeutet. Foto:
Bei der "Zeit" wurde schon vor Silvester Blei gegossen. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Gregor Sander · 29.12.2014
War da etwa Alkohol im Spiel? Die "Zeit" veranstaltet ein Bleigießen - und interpretiert das Ergebnis auf recht freizügige Weise. Das und mehr heute in den Feuilletons.
Das Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT hat kurz vor Silvester ein Bleigießen veranstaltet und eine rätselhafte Figur aus dem Wasser gezogen. Was sagt sie über uns und unsere Zukunft?, fragen sich die Redakteure.Elisabeth von Tadden und Ulrich Greiner wollen in dem langen schmalen Ding einen Engel erkennen, Hanno Rauterberg ein Gespenst und Susanne Mayer ein Schiff. Jens Jessen will eine Grabbeigabe darin sehen und erklärt das folgendermaßen:
"Es handelt sich offenkundig um die Grabbeigabe eines gefallenen Peschmerga-Kämpfers. Die wenige Zentimeter hohe Figur zeigt Reste einer deutschen Maschinenpistole (MP5) oder des ebenfalls beliebten serbischen Karabiners (Zastava M92) zwischen den verstümmelten Knien, daneben ist das Magazin zu erkennen, das an einen im Todeskampf erigierten Penis erinnert."
Vermutlich gab es bei diesem Bleigießen auch reichlich Alkohol, denkt man bei diesen Zeilen, das würde auch den Beitrag von Marie Schmidt erklären: "Oder ist sie einfach ein Ersatzteil, ein generisches Organ, Phallovulva, nach außen gestülptes Innenleben? Geht das überhaupt mit den alten Geschlechtern zusammen? Was soll man denn, Pardon, mit so was anfangen?" Das wolltet ihr doch erklären, möchte man antworten und fühlt sich ratlos, wie bei jedem anderen Bleigießen auch.
Umso erfreulicher ist dafür ein Jahresrückblick in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Im Jahr 2014 stieß der Online-Händler Amazon erstmals auf größere Widerstände – und zugleich erholte sich in Deutschland der stationäre Buchhandel", resümiert Lothar Müller.
"Der Online-Buchhandel ist nicht die Schlange, der stationäre Buchhandel kein Kaninchen. Sein Anteil am Gesamthandel mit Büchern ist 2014 erstmals seit Jahren wieder gestiegen, der des Online-Handels gesunken. Riesige Verkaufsflächen mit Ramsch-Anmutung im Eingangsbereich sind allerdings nicht die aussichtsreichste Variante des stationären Buchhandels."
Als Gegenmodell empfiehlt Müller in der SZ: "Die 'kuratierte' Buchhandlung, die ihr Publikum durch Veranstaltungen und klug gemachte Websites an sich bindet, die um ein Update der Figur des lesenden Buchhändlers zentriert ist, superschnelle Buchbeschaffung inklusive. Das gibt es hierzulande in vielen Städten."
Aber bald nicht mehr in Paris, wie die Tageszeitung DIE WELT berichtet. Zumindest keine deutschsprachige Buchhandlung mehr, denn neben Marissal, direkt am Centre Pompidou, schließt im neuen Jahr auch der Librairie-Buchladen am Montmartre. Schuld seien die fehlende Kundschaft, die hohen Mieten und eben doch der Online-Buchhandel über die Grenze hinweg. Johannes Wetzel von der WELT stellt resigniert fest: "Anstelle von Marissal wird man wohl bald ein Schokoladengeschäft finden."
Begeisterung kann man bei Christiane Peitz vom Berliner TAGESSPIEGEL finden, die einen Ausblick ins Kulturjahr 2015 wagt: "Der neue Bond, 70 Jahre Weltkriegsende, 500 Jahre Lucas Cranach d.J. – das Kulturjahr 2015 kann sich sehen lassen. Kraftwerk treten gleich Anfang Januar in der Neuen Nationalgalerie auf, Katharina Wagner inszeniert im Sommer 'Tristan' in Bayreuth, Herbert Grönemeyer und Robert Wilson wieder am Berliner Ensemble vereint: Wer die Vorschauen fürs neue Jahr liest, kommt gleich wieder ins Staunen über die blühende hiesige Kulturlandschaft, trotz knapper Kassen."
Da fehlt dann eigentlich nur noch ein praktischer Hinweis zur ersten Abendgestaltung im neuen Jahr und den liefert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Es handelt sich dabei, wie könnte es in Deutschland anders sein, um einen Tatort. Nora Tschirner und Christian Ulmen ermitteln in Weimar, und Oliver Jungen fasst das so zusammen:
"'Der Irre Iwan' ist eigentlich ein 'Tatort' nach dem Untergang des 'Tatorts', ein schöner Jux mit dem Genre. Man würde sich nicht einmal wundern, wenn die Autoren aufträten und die Figuren Witze über das Drehbuch rissen. Diese prächtige, dem verkaterten Neujahrsabend angemessene Groteske lebt von schräg-subversiven Blicken, verrückten Wendungen und von hervorragender, aus den Charakteren heraus entwickelter Situationskomik."
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