Aus den Feuilletons

Pegida als Zombie-Truppe

Anhänger des "Pegida"-Bündnisses demonstrieren vor der Dresdner Oper.
Anhänger des "Pegida"-Bündnisses demonstrieren vor der Dresdner Oper. © dpa / Kay Nietfeld
Von Tobias Wenzel · 27.12.2014
Die Zeitungsberichte in dieser Woche erinnerten an verstorbene Superstars und empörten sich über aktuelle Krisen - etwa in der Ukraine und Nordkorea. Und natürlich waren auch die Pegida-Demonstranten ein Thema - als "Zombies der Weltverschwörung".
"In Niedersachsen ist die Vogelgrippe ausgebrochen. Was gibt es denn eigentlich bei Ihnen als Weihnachtsessen?", fragte zu Wochenbeginn die TAZ ihren ironischsten Mitarbeiter Friedrich Küppersbusch. "Volks- und Nudelauflauf" war seine Antwort. Weniger Nudeln, dafür umso mehr Volksaufläufe bestimmten die Feuilletons dieser Woche. Außerdem viel Irrationalität, die die Autoren der Artikel anprangerten, und ungebremste Emotionalität, der sie sich selbst hingaben.
"In der Kehle könnte Absinth, vielleicht aber auch Benzin oder Käse gurgeln, auf jeden Fall ist es ein bitterer, beißender Stoff, der auch immer wieder berühmte Zuckungen herbeiführte", schrieb Jan Wiele in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über den mit 70 Jahren gestorbenen englischen Sänger Joe Cocker. Willi Winkler, offensichtlich bereit zu Kitsch und Gefühlsduselei, endete in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG mit dem Satz: "Sail away, Joe."
"Nun hat er den Konzertsaal des Lebens verlassen, eigentlich viel zu früh", schrieb Holger Kreitling, ähnlich emotional und metaphernmutig, in der WELT über Udo Jürgens. "Merci, Mann am Klavier. Für die Stunden mit dir. Adieu, adieu, adieu." Dieter Bartetzko ging in seinem Nachruf auf Udo Jürgens in der FAZ noch weiter: "Man erlebt es fast wie den Tod eines älteren Bruders, Vaters oder Großvaters oder eines sehr guten Freunds." Dieser Satz hätte auch von Oliver Polak stammen können. "Ich breche in Tränen aus", beschreibt er im neuen SPIEGEL den Moment, in dem er vom Tod des österreichischen Sängers erfahren hat. Polak, der Comedian mit dem tiefschwarzen Humor, ist ernsthaft berührt: "Sogar jetzt, wo du nicht mehr da bist, Udo, tragen uns deine Worte, deine Gedanken, deine Lieder über unsere Trauer hinweg", schreibt er hemmungslos. Als Elfjähriger besuchte Polak sein erstes Jürgens-Konzert – und musste vor Rührung weinen.
Schriftstellerin beklagt das Jammern des Europäer
"Hört auf zu heulen!" ruft die Schriftstellerin Eva Menasse in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG aus und meint die Europäer, die Europa "kaputtreden und kaputtjammern". Die FAS geht in ihrem gesamten Feuilleton der Frage nach, was nur aus der "europäischen Utopie" geworden ist. "Wo sind die europäischen Mandelas oder Martin Luther Kings, die unsere Kräfte vereinigen?", fragt verzweifelt die ukrainisch-deutsche Autorin Katja Petrowskaja. In ihrem Text "Goodbye Europa" bangt sie um die Ukraine, greift Putin für diesen "Krieg" an und zeigt sich tief enttäuscht von jenen Menschen, die den russischen Präsidenten in Schutz nehmen:
"Noch vor einem Jahr dachte ich, dass hier in Europa ein Konsens darüber herrscht, was Totalitarismus ist und was Widerstand, was Menschenrechte sind und was Nationalismus, was ein politisches Subjekt ausmacht und was Freiheit und Demokratie. Ich habe mich getäuscht. Durch den 'Fall Ukraine' ist das ganze europäische Glossar von Wert und Wahrheit ins Wanken geraten, inklusive des einfachsten Verständnisses von Krieg und Frieden."
Nordkorea hat die Filmkomödie "The Interview" vorab als "kriegerischen Akt" bezeichnet. Der Film jedenfalls wurde, nach Cyber-Attacken und Morddrohungen, nun doch in den USA gezeigt und kostenpflichtig ins Internet gestellt. "Wenn man den Film gesehen hat, wird man es nicht für lächerlich halten, dass die Volksrepublik ihn als Angriff auf ihre Souveränität bewertet", schrieb Patrick Bahners in der FAZ über die Komödie, in der zwei von der CIA angeheuerte US-Journalisten Kim Jong-Un ermorden sollen, dann aber den Diktator sehr sympathisch finden: "Die schlimmste Kränkung der nordkoreanischen Ehre liegt darin, dass der Oberste Führer als durch und durch verwestlicht dargestellt wird." Die Reaktionen aus Nordkorea sind jedenfalls scharf. Marcel Rosenbach und Martin Wolf zitieren im neuen SPIEGEL die Führung des kommunistischen Landes mit den Worten, die USA sollten sich für diese "Missetat", die Kinokomödie, bei Nordkorea entschuldigen. Es klingt, als hätten die Verfasser des Propaganda-Textes LSD genommen, meinen die beiden SPIEGEL-Autoren und erinnern an die nordkoreanische Wirklichkeit: "Bis zu 120.000 Menschen werden in Straflagern gefangen gehalten. Sie werden ausgehungert und hingerichtet, ihre Babys getötet."
Pegida als Computerspiel
Ähnlich wirklichkeitsfremd erscheinen die Pegida-Anhänger und die selbsternannten Friedensdemonstranten. Wie solle man diesen Menschen mit "Fairness" begegnen, wenn sie die Grundlagen der Fairness, die "Rationalität und Realität", aus dem Blick verloren hätten?, fragt Georg Diez im SPIEGEL. "Zombies der Weltverschwörung" nennt er diese Demonstranten. Kollege Matthias Matussek war wiederum für seinen WELT-Artikel in Dresden und Weimar, begab sich unter Pegida-Demonstranten und an Wirkungsstätten Goethes. Aus dessen "West-östlichem Diwan" zitierte der Journalist: "Wer sich selbst und Andre kennt. / Wird auch hier erkennen: / Orient und Occident / Sind nicht mehr zu trennen."
Ach, wenn doch nur etwas Goethe in den Pegida-Wütenden steckte! Die aber interessieren sich vermutlich viel mehr für das im Netz beworbene Computer-Spiel "Prince of Pegida": "Wir schreiben das Jahr 2016. Dresden wurde islamisiert, die Frauenkirche zur Moschee. Ein Albtraum für die Bewohner des christlich-jüdischen Abendlandes", schrieb Laila Oudray in der TAZ über das Spiel, das es gar nicht gibt. Denn der Trailer dazu ist reine Satire. Wie viele Pegida-Anhänger darauf wohl schon reingefallen sind ... Allein wegen des putzigen, letzten patriotischen Europäers, der im vermeintlichen Spiel die Frauenkirche retten soll. In den Worten der TAZ-Autorin:
"So kommen plötzlich tödliche Mikrofone der deutschen Lügenpresse aus dem Boden geschossen, die ihn aufhalten und diffamieren wollen. Darauf muss er genauso aufpassen wie auf die Muslime, die mit Turban und Pluderhose überall lauern. Im Kampf kann er sie mit seinem Schwert der Ahnungslosen in ihre Heimat zurückdrängen und das Abendland retten."
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