"Palast der Verlogenheit"

Das Richtfest des Berliner Stadtschlosses am Freitag beschäftigt die Feuilletons. Während der "Tagesspiegel" eine wachsende Akzeptanz für das umstrittene Gebäude erkennt, findet "Die Zeit" drastische Worte.
Das Richtfest für das Berliner Schloss war eigentlich im Winter. Manfred Rettig, Vorsitzender der Stiftung Schloss - Humboldtforum, erklärt im Berliner TAGESSPIEGEL, warum erst jetzt die Korken knallen werden: "Wir hätten im Dezember feiern können, als der Rohbau fertig war, mit wahrscheinlich demokratischem, also wechselhaftem Wetter. Jetzt hoffen wir auf Kaiserwetter."
Glaubt man der Vorhersage für Freitag, wird er wohl Recht bekommen. Die zunehmende Akzeptanz für das Projekt erklärt sich Rettig so: "Momentan werden in Irak und Syrien ganze Kulturen vernichtet. Diese Kulturen haben auf der Museumsinsel und im Humboldt-Forum mit seinen außereuropäischen Sammlungen einen Aufbewahrungsort. Wir sind entsetzt darüber, was der IS alles zerstört. Das ändert vielleicht auch die Wahrnehmung des Wiederaufbaus eines zerstörten Gebäudes."
Hanno Rauterberg von der Wochenzeitung DIE ZEIT macht schon mit seiner Überschrift "Palast der Verlogenheit" klar, dass er da ganz anderer Meinung ist: "All die Trommeln und Masken, der Anhänger aus Walrosszahn, das Luft-Boot mit dem großen Ausleger und die anderen zigtausend Schaustücke werden hier, im kulturellen Zentrum der Macht, nicht um ihrer selbst willen bestaunt. Sie sollen dienen: als Kulisse von Staatsempfängen und Galadiners."
Rauterberg wünscht sich ein eigenes Museum für die ethnologischen Sammlungen um sie von der aktuellen Tagespolitik zu befreien, denn "Es würde ja niemand versuchen, aus ein paar Leonardo-Zeichnungen, drei Ritterrüstungen und einer deutschen Tannenbaumkugel die europäische Außen- und Sicherheitspolitik herzuleiten. So ähnlich aber muss man sich den Aktualitätsdrang im Humboldt-Forum vorstellen."
90 Last-Konzerte in der Londoner Royal Albert Hall
Einen Aktualitätsdrang hat James Last wohl nie verspürt und doch hat er 8o Millionen Platten verkauft. Im Alter von 86 Jahren ist der Bandleader nun in Florida gestorben. Helmut Mauró stellt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fest:
"Ein halbes Jahrhundert lang haben sich Künstler und Fans schunkelnd in den Armen gelegen, und selbst die Engländer vergaßen im Big-Band-Nebel ihren Deutschlandhass und reihten sich ein: Mehr als 90 Konzerte gab Last in der Londoner Royal Albert Hall; mehr als je ein Nicht-Brite dort spielte."
Auch wenn in den Feuilletons Vokabeln fallen wie "ein brachialer Glückshammer" (SZ) oder "hedonistischer Unterhaltungskitsch" (FAZ) ist die Bewunderung für den gebürtigen Bremer doch groß. Und Jan Feddersen stellt in der TAZ eine provokante Frage, nämlich: "Ob die Art der Soundproduktion James Lasts nicht ein Vorläufer dessen war, was Techno und Loveparade abbildeten: Klänge am laufenden Band, alles auf einem Track, a never ending party story, alles Klangwesen vermanscht zu einer Spur der Töne, ob an Stränden, auf Straßen oder in Clubs. James Last ist der Godfather all seiner Technoenkel."
Von denen ist es nicht mehr weit bis zu Clemens Meyer, dem Raubein der deutschen Literatur. Wie hat man sich den Leipziger Autor wohl in der Frankfurter Poetikvorlesung vorzustellen? "Es ist monströs, es ist größenwahnsinnig, es ist großartig", schreibt Christoph Schröder in der SZ und wird dann genauer: "Mit Selbstironie und einem spürbar darunter liegenden tiefen Ernst wühlt Meyer im Urschlamm seiner Schriftstellerexistenz, und was er dabei zutage fördert, ist ein explosives Gemisch: Porno und Lohengrin, das Leipzig der Nachwendezeit und Kolportage-Romane, DDR-Schriftsteller wie Werner Bräunig und Werner Heiduczek als Symbolfiguren eines verloren gegangenen Referenzrahmens."
Meyer war am Ende viel zu lang, verlor hin und wieder den Faden und nahm einen anderen wieder auf. Trotzdem lautet auch das Fazit von Sabrina Wagner im TAGESSPIEGEL: "Diese erste der fünf Vorlesungen hat manchmal wehgetan. Doch eingenommen von der Wortgewalt, von der geballten Intellektualität und Traditionskenntnis, präsentiert in einer Form, die sich jeder (Erzähl-)Konvention verweigert, wird man sich diesem Schmerz begierig wieder aussetzen."