Aus den Feuilletons

Olli Dittrich gelingt ein Kritiker-Erfolg

Olli Dittrich
Olli Dittrich habe sich "im Fernsehen seine eigene Nebenwelt" geschaffen, schreibt die "SZ" bewundernd. © picture alliance / dpa / Georg Wendt
Von Gregor Sander · 06.01.2016
In seiner neuen TV-Rolle als ostdeutscher Fernsehreporter kann Komödiant Olli Dittrich die Feuilletonisten aller Zeitungen begeistern - dabei nimmt er als improvisierender Livereporter das deutsche Mediensystem auseinander.
Für Peter Hagmann ist mit Pierre Boulez eine ganze Epoche gestorben:
"Mit Boulez' Tod geht die Moderne zu Ende",
schreibt er in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Reinhard Brembeck nennt den französischen Komponisten in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG einen radikalen musikalischen Erneuerer:
"Dirigent aber war er nur geworden, weil nicht nur im Paris der 1950er und 60er-Jahre kaum jemand bereit war, die mit aller Tradition brechenden Stücke einer zutiefst verstörten und zutiefst mit dem Establishment zerfallenden Komponistenschaft zu spielen."
Kehrseite der Machtposition
Boulez wurde auch einer der mächtigsten Musiker der Moderne, was, wie Jan Brachmann in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG betont, durchaus auch schwierig war:
"Die Kehrseite dieser einzigartigen Machtposition, die er klug mit Gleichgesinnten wie Karlheinz Stockhausen teilte, war eine ästhetische Verdrängung all dessen, was nicht auf seiner Linie lag."
Kai-Luehrs Kaiser traut sich in der Tageszeitung DIE WELT Boulez' Arbeit mit nur einem Wort zu charakterisieren:
"Transparenz."
Dirigentisch wie auch kompositorisch prunkten Boulez' Arbeiten durch ein Maß an Durchleuchtungskraft, das durchaus zauberhafte Ausmaße annehmen konnte.
Daviw Bowies enthemmtes Alterswerk
Wenn der Kritiker Diedrich Diederichsen auf das neue Album von David Bowie trifft, dann klingt das so:
"Blackstar heißt diese knapp zehnminütige Art- Rock-Spitzenleistung, zu der ein Videoclip bereits vorab verfügbar war und mit der David Bowie sein neues, gleichnamiges Album eröffnet. Musikalisch folgen in dem Song einander zwei zunächst unterschiedene und antagonistische Teile. Der polytoxikomanen Unruhe des ersten Teils mit seinen mechanisch zitternden Knien steht die heiter wirkende Entspannung der nihilistischen Versöhnung mit Apokalypse und Mittelaltermuff im zweiten gegenüber."
Nachzulesen ist das in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Und weil man über manchen Diederichsen Satz genauso lange nachdenken kann, wie über so manchen Bowie-Song, hier noch einen ganz einfachen:
"Bowie singt also meistens ganz anders als noch auf The Next Day: nicht unbedingt schwach statt stark, aber doch eher androgyn als macho, vor allem aber klagend, weich, auch weinerlich, tragisch."
Insgesamt, so urteilt Diederichsen, ist Bowie mit Blackstar ein enthemmtes Alterswerk gelungen.
Olli Dittrichs eigene Nebenwelt
Zu gelingen scheint auch alles, was Olli Dittrich anpackt. Oder wie es Holger Gertz in der SZ ausdrückt:
"Der Komödiant Dittrich ist unabhängig und bewundert genug, um sich im Fernsehen seine eigene Nebenwelt schaffen zu könne."
Nach dem Frühstücksfernsehen, den Talkshows und einer Pseudodokumentation über Franz Beckenbauer verwandelt sich Dittrich nun in den ostdeutschen Fernsehreporter Sandro Zahlemann. Die Geschichte ist schnell erzählt: Zahlemann wartet im Leipziger Bahnhof auf den König von Bhutan, der zusammen mit Wirtschaftsminister Gabriel und Verkehrsminister Dobrindt jeden Moment im neuen ICE 4 eintreffen soll. Doch der König hat Verspätung und so muss der Reporter improvisieren. Sehr zu Freude von Jürn Kruse von der TAZ:
"Dittrich ist in seiner Überzeichnung der Person Zahlemann wieder so nah dran am Original, dass man erst durch seinen bewussten Einsatz der (zumeist verdrehten) Redensarten merkt, wie viel dieser von aller Sinnhaftigkeit befreiten Reporterfloskeln wir ZuschauerInnen eigentlich über uns ergehen lassen."
Thomas Gehringer vom Berliner TAGESSPIEGEL hat sich auch sehr über den labernden Livereporter amüsiert und weist noch auf ein technisches Detail hin:
Der 'Sandro-Report' ist tatsächlich live gedreht worden, das heißt: in einem Rutsch, ohne Unterbrechung – ein einziger 30-minütiger 'Take' ohne Schnitt. Weil das Team beim ersten Mal zwei Minuten länger brauchte, musste allerdings noch ein zweites Mal gedreht werden.
Für so viel Einsatz soll das Schlusswort hier dann auch Olli Dittrich gehören oder besser: Seinem erfundenen Livereporter Sandro Zahlemann:
"Alles das deutet darauf hin, dass der Begriff 'großer Bahnhof' selten besser passender war denn je, als heute gewesen sein könnte."
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