Aus den Feuilletons

Nietzsches Zarathustra für Anfänger

Zeitgenössisches Porträt des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche
Der erste Teil von Nietzsches "Also sprach Zarathustra" erschien 1883. © picture alliance / Bifab
Von Arno Orzessek · 17.05.2017
Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra - Ein Buch für Alle und Keinen" gibt selbst philosophisch Gebildeten Rätsel auf. Nun hat der Philosoph Heinrich Meier eine Art Erklärwerk zum Zarathustra geschrieben, das die "Süddeutsche Zeitung" bespricht.
"'Nicht nur die Vernunft von Jahrtausenden – auch ihr Wahnsinn bricht an uns aus. Gefährlich ist es, Erbe zu sein.'"
Das schrieb einst der Philopsoph Friedrich Nietzsche in seinem Werk "Also sprach Zarathustra". Nun zitiert Johann Schloemann den Satz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in seiner Besprechung von "Was ist Zarathustra?", ein Buch des Philosophen Heinrich Meier.
Und was ist nun Nietzsches "Zarathustra"? Was ist dieses Buch, in dem sehr großer Unfug und sehr Zartgedachtes in so eigenartigen Wortmelodien zur Sprache kommen, dass es Nietzsche selbst unter die Musik gerechnet hat? Und das Werk übrigens als das "'größte Geschenk'" an die Menschheit deklarierte, "'dass ihr bisher gemacht worden ist'". Tja! Wer je im "Zarathustra" geblättert hat, der weiß, dass es keinen Nenner gibt, auf den er sich bringen ließe.
Entsprechend hält der SZ-Autor Schloemann nach der Lektüre des Erklär-Bandes von Heinrich Meier fest:
"[Nietzsches Buch] will kein Traktat sein oder eine aufklärerische Aphorismensammlung wie andere Bücher des entlaufenen Philologen […], sondern eine mythische Erzählung, selbst ein neuer Klassiker, archaisch und modern zugleich, zusammengesetzt aus Reden, Liedern, fantastischen Szenen, aus klarster Aufrichtigkeit, aber auch vielen Rätselsprüchen."
Das zu Nietzsche.

Knausgård kuratiert Munch

In der Wochenzeitung DIE ZEIT unterhält sich Ijoma Mangold mit dem norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård, der in Oslo eine Munch-Ausstellung kuratiert hat. So weit werden es die meisten von uns nicht bringen. Aber viele dürften nachfühlen können, wie es Knausgård ergangen ist, als er zum ersten Mal Bilder von Munch sah.
"Es war in der Nationalgalerie in Oslo, ich war 17 [erzählt Knausgård in der ZEIT]. Damals hatte ich gerade Dostojewski gelesen, und Munch schlug ähnlich heftig bei mir ein. Es war so […] ernste Kunst, es ging um Leben und Tod, man konnte sich der Konfrontation nicht entziehen. Normalerweise schaut der Betrachter in Bilder hinein, bei Munch war es umgekehrt: Die Bilder kamen heraus! Sie griffen nach dir!"
Damals wie heute stark angefasst: Munch-Liebhaber Karl Ove Knausgård.
Ihrem Altmeister der Kunstkritik, nämlich Eduard Beaucamp, überlässt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG den Nachruf auf den Maler Johannes Grützke.
"'Ich war und bin ein Einverstandener'", zitiert Beaucamp ein Bekenntnis Grützkes, das einst gegen die verbreitete linke Affirmationskritik gerichtet war. Im Übrigen ist Beaucamps Nachruf ein stilistisches Vergnügen, dass Sie sich gönnen sollten, liebe Hörer. Den Tenor verrät die Unterzeile:
"[Grützke] war einer der produktivsten Widerspruchsgeister des Landes, ein Außenseiter, der mit seinem Theater des Fleisches ergötzte, narrte, nervte und schockierte."
In der Tageszeitung DIE WELT ist es Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer höchst selbst, der feststellt:
"Grützke weigerte sich, die Wahrheit zu ignorieren. Er durchschaute die Menschen, während er sie malte. Seine Kunst war, seine Kunst ist, Entlarvung. Der Prozess ist unfreiwillig und unaufhaltsam. Beim Besuch vor vielen Jahren sagte er, ein Bild könne 'Dinge zutage fördern, die man gar nicht wusste.' Das Werk sei immer klüger als der Künstler. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Grützkes Werke ungeheuer kluge Werke sind."
Grützke-Kenner Mathias Döpfner über das Verhältnis zwischen der Grütze im Kopf des Künstler und der Weisheit der Kunst.

Ein Hoch auf die Lyrik

"Gedichte für alle! [Ausrufezeichen]!" fordert unterdessen die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, in der Felix Philipp Ingold behauptet:
"Lyrik ist die perfekte Textform für unsere schnelllebige Zeit."
Warum man das so sehen kann, erklärt nicht zuletzt die Unterschrift, die in der NZZ unter dem Foto eines Gedichtes steht:
"Gedichte sind wie Fernrohre oder Mikroskope. Wir schauen mit ihnen und durch sie hindurch auf eine Welt, die sich unter unserem Blick verwandelt."
Zum Schluss zurück zum Anfang, zu Zarathustra, dem poetisierenden Wandersmann, dem wir heute das letzte Wort überlassen, nachzulesen in der SZ. Zarathustra sprach also:
"'Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsere Erbsünde!'"
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