Aus den Feuilletons

Moscheen sollten sichtbar sein

Eine deutsche Fahne weht neben dem Minarett einer Moschee am Rande von Schwäbisch Hall
Geht es nach Joachim Reinig, ist ein Minarett ein Zeichen der Integration. © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
Von Adelheid Wedel · 19.06.2016
Der Dombaumeister Joachim Reinig will nicht mehr genutzte Kirchen abreißen und dort Moscheen errichten. Das soll das Gemeinschaftsgefühl von Migranten und Einheimischen stärken. Der Moscheebau als Integrationsmaßnahme? In der "taz" verteidigt Reinig seine Idee.
Verlieren wir ein Vorbild, wenn Großbritannien aus der EU austreten sollte? fragt Markus Hesselmann besorgt im TAGESSPIEGEL. Der ehemalige Korrespondent in London begründet in seiner Liebeserklärung an das Land, warum er einen Brexit zutiefst bedauern würde. Er schreibt:
"Vorbildlich und nachahmenswert an den Briten ist ihre pragmatische, auf Wettbewerb, Austausch und Ausgleich angelegte Grundhaltung. Das findet zusammen in Common Sense und Fairness, weicheren Spielraum lassenden Tugenden, mit denen wir nach Konsequenz und Gerechtigkeit strebenden Deutschen leider wenig anfangen können."
Und dann erinnert Hesselmann daran:
"Die Bürger des Vereinigten Köngreichs, die einst im eigenen Land die Faschisten gar nicht erst hochkommen ließen und die von außen heranrückenden Nazis erfolgreich bekämpften, haben jedes Recht, ihre Zukunft selbständig zu bestimmen."
Verständnisvoll formuliert der England-Kenner:
"Ihre Skepsis gegenüber Europa ist aus dieser Geschichte heraus verständlich."

Großbritannien als Krämernation

Auch der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist die bevorstehende Entscheidung in Großbritannien einen Artikel wert. Lothar Müller fragt:
"Shakespeare hat erlebt und beschrieben, wie England zu Großbritannien wurde. Beginnt im Shakespeare-Jahr die Rückentwicklung?"
Dem britischen Schriftsteller John Burnside gibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Raum für seine Überlegungen zum Thema. Das landläufige Vorurteil "Wir Briten sind keine Freunde von politischen Ideen, und als alte Krämernation betrachten wir die EU ohnehin nur unter pekuniären Aspekten" beurteilt er als krasse Fehleinschätzung.
In der Tageszeitung DIE WELT richtet Wolf Lepenies unseren Blick auf Frankreich. Er schreibt:
"Die Franzosen verteidigen ihren Sozialstaat gegen jede ökonomische Vernunft."
Der Soziologe geht den Gründen dafür nach, die bis in die Zeit der Résistance zurück reichen. In diesem Kampf spielt die Gewerkschaft eine wichtige Rolle.
"Im Gegensatz zu Deutschland, wo Arbeitgeber und Gewerkschaften sich als Sozialpartner verstehen, die kompromissbereit Arbeitszeit- und Lohnfragen miteinander ohne staatliche Einmischung regeln, ist in Frankreich Verhandlungspartner für die Gewerkschaft der Staat, den sie zwingen will, ihren Interessen gemäß zu handeln – meist mit Streiks und notfalls durch massive Blockaden des öffentlichen Lebens, die den Normalbürger treffen."
Interessant zu wissen, dass dennoch "60 Prozent der Franzosen mit der Gewerkschaft sympathisieren".

Muslime und Christen haben viel gemeinsam

"Moscheen müssen sichtbar sein", das klingt in unseren Tagen wie eine Kampfansage. Ist es aber nicht, sondern illustriert die Überlegung des Hamburger Architekten Joachim Reinig, "der dafür plädiert, nicht mehr genutzte Kirchen abzureißen und auf den frei werdenden Grundstücken Moscheen zu errichten. Für den Dombaumeister sind Moscheen ein Zeichen der Integration."
Das erfahren wir aus einem Interview mit dem 66-Jährigen in der Tageszeitung TAZ. Dort erzählt er auch, dass er sich vor einigen Jahren für die Gründung eines Einwanderermuseums in Hamburg stark gemacht hat. Dort gibt es zwar ein Auswanderermuseum, aber die Geschichte der Einwanderer, der Gastarbeiter müsste seiner Meinung nach ebenso dokumentiert werden. Eine seiner Erkenntnisse lautet:
"Man sollte den Glauben nutzen und ihn für Integration aktivieren. Als jemand, der viele Kirchen saniert, glaube ich, dass das für die Gesellschaft wichtige Orte sind. Damit das Leben nicht nur vom Geld und der Arbeit bestimmt wird. Eine Integration in der Fremde ist seiner Meinung nach dann möglich, wenn man um seine Herkunftskultur und Familiengeschichte keine Angst zu haben braucht. So ist das sichtbare Minarett in einer modernen Architektur die Botschaft an die Migranten: Ihr gehört dazu und müsst den Verlust eurer Identität in dieser Gesellschaft nicht fürchten."
Kirchen abzureißen, die von Gemeinden aufgegeben werden, findet er hinnehmbar:
"Juden, Christen und Muslime sind als abrahamistische Religionen theologisch Brüder und Schwestern und haben viele Gemeinsamkeiten. Sie sollten keine Berührungsängste haben."
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