Aus den Feuilletons

Mit Windsor-Knoten im Homeoffice

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Der Schriftsteller Prinz Dr. Asfa-Wossen Asserate
Immer korrekt gekleidet: Der Autor Asfa-Wossen Asserate wählt seine Krawatten passend zum Hemd aus. © imago images/Volker Danzer/HMB Media
Von Arno Orzessek · 18.11.2020
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Asfa-Wossen Asserate trägt zuhause niemals Jogginghose. Auch wenn er den ganzen Tag niemandem begegnet, ist er stets stilvoll gekleidet. "Ich würde mich vor mir selber schämen", beichtet der Bestsellerautor der "Welt".
"Mann mit Doppelbegabung: Matthias Brandt, 59, ist ein famoser Schauspieler und Autor", heißt es in der Wochenzeitung DIE ZEIT unter einem Foto des Belobigten, der darauf mit hochgesteckter Brille, aufgekrempelten Hemdärmeln und leicht getrübten Augen eine Zigarette raucht, deren Asche gleich zu Boden fallen wird.
Wir möchten dem Lob der ZEIT gern hinzufügen: "Außerdem ist Matthias Brandt ein sehr angenehmer, unterhaltsamer Plauderer." Das beweist er auch im Gespräch mit Peter Kümmel. Frage Kümmel: "Sie sind hier im Süden von Berlin oft mit dem Fahrrad unterwegs. Werden Sie erkannt?"

Von Florian Silbereisen erschreckt

Antwort Brandt: "Gelegentlich. Es sind meistens angenehme Begegnungen. Die Leute, die mich blöd finden, suchen ja keinen Kontakt. Ich vergesse immer wieder, dass die glauben, mich zu kennen, weil ich in ihrem Fernsehapparat drin war. Ich meine das gar nicht kokett. Ich würde ja auch gucken, wenn ich einen erkennen würde, den ich im Fernsehen gesehen habe. Ich hab mal im Hotel auf einen Fahrstuhl gewartet, und als die Tür aufging, stand dort Florian Silbereisen. Da hab ich mich allerdings so erschrocken, dass ich lieber die Treppe nahm."
Uns gefällt dieser ungeschwollene Ton. Und uns gefällt auch, dass die ZEIT mit dem lockeren Brandt-Gespräch das Feuilleton aufmacht – und nicht mit Corona. Ähnliches lässt sich von der Tageszeitung DIE WELT sagen, die sich auf ihrer Feuilleton-Seite eins mit dem Bestsellerautor Asfa-Wossen Asserate unterhält.

"Gewohnheit formt den Charakter"

Nur dass Asserate ein strengerer, formalerer Geist als Matthias Brandt ist. Das deutet schon das Foto an: Asserate trägt wie fast immer Anzug mit Weste, dazu eine gelbe Krawatte, die er per halbem Windsor-Knoten gebunden hat, wenn wir das richtig sehen. Asserate bekennt:
"Mir würde es nie einfallen, in einer Jogginghose zu Hause zu sitzen, auch wenn ich wüsste, dass mich kein Mensch an diesem Tag sehen wird. Ich würde mich vor mir selber schämen. Gewohnheit formt den Charakter, und so ist auch das richtige Anziehen für mich eine Gewohnheit geworden. Ich suche eine schöne Krawatte aus, die zum Hemd passt. Ich spiele mit mir selbst."
Wenn diejenigen unter Ihnen die Hand heben würden, die sich fürs Homeoffice ähnlich stylen wie Asserate, dann wären wir mit dem Nachzählen sicher schnell fertig.

Die Bindungsfähigkeit unter Corona

Natürlich reden Brandt und Asserate auch über die Pandemie. Aber dieses leidige Thema wollen wir mit Andreas Busche angehen, der im Berliner TAGESSPIEGEL "eine Würdigung der Seelenverwandtschaft in Zeiten des Lockdowns" schreibt.
"Je älter wir werden, als desto schwieriger empfinden wir es, neue Freundschaften zu schließen. Und nun noch der Lockdown. Haben Homeoffice, Zoom-Konferenzen und Kontaktreduzierungen unsere Bindungsfähigkeit bereits beeinträchtigt? Nicht nur Ökonomen, auch Gesellschaftsforscher sagen voraus, dass die Folgen von Corona in allen Bereichen des Zusammenlebens noch auf viele Jahre hinaus spürbar sein werden. Gerade jetzt haben wir die, die uns am nahesten stehen, nötiger denn je. Nicht nur Kinder werden sich weigern, sich für den einen, für die eine zu entscheiden."
So der TAGESSPIEGEL-Autor Andreas Busche, dessen letzter Hinweis sich erkennbar gegen Angela Merkels Forderung richtet, soziale Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Schreiten wir weiter auf der Via Dolorosa dieser Tage – kommen wir von Corona zu Trump.

Was Trump verkörpert

In der Wochenzeitung DER FREITAG heißt es: Donald Trump "hat gelogen und getrickst, doch er selbst verkörpert eine Wahrheit über den Zustand der westlichen Gesellschaft".
Georg Seeßlen meint: "Zieht man die merkwürdige Öffentlichkeitsarbeit einer doch ziemlich bizarren Persönlichkeit ab, den kaum noch für möglich gehaltenen weiteren Verfall der politischen Sitten und der Sprache, die skurrile Vorliebe für Autokraten und Diktatoren, das nepotistischkindische HireandFireSpiel und – mein Gott! – die Frisur, dann war die Amtszeit von Donald Trump auch nicht viel schlimmer als die vorangegangener Präsidenten."
Die Begründung lesen Sie bitte im FREITAG nach. Und leben Sie so, dass gar auf keinen Fall eintrifft, was Asfa-Wossen Asserate coronahalber in der Überschrift des erwähnten WELT-Interviews durchaus mit Bedauern behauptet: "Der Mensch wird stumpf."
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