Aus den Feuilletons

Habermas und die guten Europäer

Jürgen Habermas, deutscher Philosoph, spricht am 4.7.2018 im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin. Habermas erhielt den deutsch-französischen Medienpreis.
Unermüdlich in seinem Engagement für Europa und Demokratie: der Philosoph Jürgen Habermas © picture alliance / dpa / Arne Immanuel Bänsch
Von Klaus Pokatzky · 04.07.2018
Einen engagierteren Willen für ein funktionierendes Europa: Den fordert in der "Zeit" der Philosoph Jürgen Habermas von den politischen Eliten. Andere Feuilletons widmen sich dem Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb - und finden Parallelen zur Fußball-WM.
"An einem durchschnittlichen Werktag", teilt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit, "hören Menschen durchschnittlich 247 Minuten, gut vier Stunden, Radio." Bei einer durchschnittlichen Kulturpresseschau müssen Sie nur durchschnittlich vier Minuten, 15 Sekunden zuhören. "Wie die am Mittwoch vorgestellte Mediaanalyse zeigt, blieben die Zahlen seit März stabil." Ich hoffe, hier auch.
"Welche Drogen sollten Ihrer Meinung nach legalisiert werden?", fragt die Wochenzeitung DER FREITAG. "Cannabis, und zwar zügig", antwortet der österreichische Schriftsteller Christian Ankowitsch. Nächste Frage: "Ist Alkohol eine Droge?" Antwort: "Ja, was nicht gegen ihn spricht." Lauter Antworten, die für Christian Ankowitsch sprechen – der seit fünf Jahren die Jurydiskussionen beim Ingeborg-Bachmann-Preis moderiert.

Fouls gegen Sinn und Grammatik

"Klagenfurt macht auch berühmt", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zum Lesekampf, der am Donnerstag beginnt. "Der Bachmann-Wettbewerb ist Literatur als Videobeweis", schreibt Paul Jandl. "Fairer jedenfalls als bei der Fußball-WM, die zeitgleich läuft und die so etwas wie die Übertreibung der Klagenfurter Ereignisse ist."
Paul Jandl muss das wissen, er hat schließlich dort selber mal in der Jury gesessen. "Man sieht das Verhängnis kommen. Texte aus den langen Abenden der Beziehungskrisen. Falsche Autorenfrisuren, Schnarrstimmen, expressive Blusen, Talismane. Fouls gegen Sinn und Grammatik!"
Und wie sollte der Literat für Klagenfurt beschaffen sein? "Es ist sicher nicht von Nachtteil, vom Leben aufgeraut zu sein", empfiehlt Anselm Neft, der mitlesen wird. "Ich glaube schon, dass es ein Problem gibt, wenn eine Gesellschaft sehr zivilisiert ist", sagt er im Interview mit dem FREITAG. "Das besteht aber nicht darin, dass man sich langweilt, sondern dass man unheimlich viel Anpassung leisten muss."
Anselm Neft hatte in seiner Jugend mal eine rechte Phase, daher kann er Rassismus gut beschreiben: "Der Rassist ist meines Erachtens einer, der aus seiner Fremdenangst eine pseudorationale Weltanschauung macht, die ihm im Alltag dabei hilft, die eigenen inneren Konflikte zu strukturieren."

"Sind wir noch gute Europäer?"

Wie hält unser Europa das aus? "Sind wir noch gute Europäer?", fragt die Wochenzeitung DIE ZEIT. "Der heute im Zerfall begriffene Kern Europas wäre in Gestalt einer handlungsfähigen Euro-Union die einzige denkbare Kraft gegen eine weitere Zerstörung unseres viel beschworenen Sozialmodells", antwortet der Philosoph Jürgen Habermas:
"Die Ursache des trumpistischen Zerfalls Europas ist das zunehmende und weiß Gott realistische Bewusstsein der europäischen Bevölkerungen, dass der glaubhafte politische Wille fehlt, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Stattdessen versinken die politischen Eliten im Sog eines kleinmütigen, demoskopisch gesteuerten Opportunismus kurzfristiger Machterhaltung."

Die Kirche muss das Land zusammenhalten

Da brauchen wir jetzt ein wenig Aufmunterung. "Der Streit um die Flüchtlinge spaltet das Land – die Kirche muss es zusammenhalten", fordert CHRIST UND WELT, die Beilage der ZEIT. "Von der EKD bis zu den zerstrittenen Lagern im Katholizismus", meint Frank Drieschner, "stehen die Kirchen ziemlich geschlossen da, nicht nur als Beteiligte, sondern oft sogar als Vorkämpfer jener Willkommenskultur, die den Populisten so zuwider ist. Dasselbe gilt für Laienorganisationen und Kirchenbasis."
Wohl wahr: allein einhunderttausend Katholiken haben sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert. "Ja, dies ist ein Land mit christlich-abendländischer Kultur, darin haben die fremdenfeindlichen Populisten recht. Sie haben sich darangemacht, das zu ändern, aber die Mehrheit, die sich dieser Kultur noch verbunden fühlt, sollte es ihnen nicht zu einfach machen."
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