Aus den Feuilletons

Größte Auktion aller Zeiten

Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro.
Andy Warhol: "Triple Elvis" (1963, links) und "Four Marlon" (1966) © dpa / Christie's/The Andy Warhol Found
Von Arno Orzessek · 14.11.2014
"Weltrekord", stellt fasziniert der US-Korrespondent der "SZ" fest. Das New Yorker Auktionshaus Christie's hat 852 Millionen Dollar an einem Tag ersteigert: Vor allem dank zweier Werke von Andy Warhol, die eigentlich den Steuerzahlern in NRW gehörten.
Heute, liebe Hörer, tun wir etwas, was wir in der Kulturpresseschau noch nie getan haben: Wir kümmern uns um eine dieser irren Kunstauktionen, die bei Normalverdienern problemlos Arme-Schlucker-Gefühle auslösen können.
"151 500 000 Dollar, 121 560 000 Euro. So viel hat das jetzt gebracht, zwei Kunstwerke zu versteigern, die, zumindest indirekt, den Steuerzahlern von Nordrhein-Westfalen gehörten, auch wenn die meisten von ihnen das bis vor Kurzen gar nicht wussten",
berichtet Peter Richter in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG von der Auktion bei Christie's in New York, bei der Andy Warhols "Triple Elvis" und "Four Marlon" unter den Hammer kamen...
Jene Bilder also, die in der - von Pleite bedrohten - Aachener Spielbank gehangen hatten.
Und weil Peter Richter gegenüber den USA zwar nicht unkritisch ist, sich aber doch gern - wie viele US-Korrespondenten - von schierer Größe, Reichtum und Gigantismus drüben faszinieren lässt, erklärt er:
"Es ist ein denkbar weiter Weg von den Sozialstiftungen in NRW [die von den Casino-Erlösen profitieren] zum Auktionssaal von Christie's in New York, wo zusammenkommt, was man die reichsten '1 Prozent' nennt, oder vielleicht auch davon nur die reichsten '1 Prozent'. Die gaben an diesem Abend 852.887.000 Dollar aus. Weltrekord. Größte Auktion aller Zeiten."
Ironischerweise betont Verena Lueken in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, sie sei mit der Subway zu Christie's gefahren. Nicht allein wegen der Staus in New York, sondern weil in der Subway die Bodenständigen unterwegs sind und man den Jahrmarkt der Kunst-Eitelkeiten deshalb gewappnet betritt - nämlich "mit einem Stück Wirklichkeit unter den Füßen und einem Blick ins Leben."
Nach der Auktion allerdings hat Verena Lueken den Boden unter den Füßen schon wieder verloren:
"Wir wissen nicht, wer geboten hat. Woher diese Menge Geld kommt. Ob am anderen Ende der vielen Telefone auch unterschiedliche Menschen saßen. Fünfhundert aus mehr als vierzig Ländern sollen es gewesen sein. Wer waren sie? Wie viele von ihnen sind jetzt ein Stange Geld los und um ein Stück Kunst reicher? Für wie lange? Im Auftrag von wem?"
Auch Hannes Stein von der Tageszeitung DIE WELT verlässt Christie's mit vielen Fragen. Die meisten stellt er sich, als er den Raum passiert, in dem man gegen Bezahlung die ersteigerte Ware erhält:
"Bitte, wie bezahlt man einen Betrag von 73 Millionen Dollar? Reicht ein Scheck? Oder gibt es eine AmEx-Karte ‚Plutonium', die auch für solche Beträge gedeckt ist? Und wie nimmt man das Bild hinterher mit nach Hause? Kann man bei Christie's sagen: 'Würde Sie es bitte einwickeln, es soll ein Geschenk sein?' Oder kostet das dann extra?"
Lassen wir nun den bizarren Kunst- und Knete-Fimmel – kommen wir zu noch Bizarrerem.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hat sich "Im Mekka der Himmelsstürmer" umgesehen. Gemeint ist der Weltraumbahnhof Spaceport America in der Wüste New Mexicos, entworfen von Sir Norman Foster. Allein das halbseitige Spaceport-Foto ist den Kauf der NZZ wert! Außerdem erfährt man in dem Artikel von Andrea Köhler wirklich Durchgedrehtes. Da ist etwa der Niederländer Bas Lansdorp, der - so Köhler -
"eine 'Reality Show' auf dem Mars einrichten will. Ab 2025 sollen willige Kandidaten eine extraterrestrische Kolonie auf dem roten Planeten aufbauen; das Ganze wird als 'das größte Medienereignis der Weltgeschichte' angekündigt – und soll dergestalt auch finanziert werden."
Wäre das etwas für Sie, liebe Hörer? Dann beachten Sie bitte folgenden Hinweis der NZZ:
"Wer den siebenmonatigen Flug zum Roten Planeten trotz der starken Strahlungen überlebt, muss Reue-resistent sein. Ein Rückflug zur Erde ist im Skript nämlich nicht vorgesehen."
Und was bliebe Ihnen dann noch da oben? Wohl nur noch das, was in der BERLINER ZEITUNG hienieden zur Überschrift wurde - nämlich: "Todtrauriges Akkordseufzen."
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