Aus den Feuilletons

Gefangen in der Empörungsschleife

04:19 Minuten
Ein Schild "Eintritt macht frei" vor Stuhlreihen und zwei Conférenciers in Elfriede Jelineks Stück "Schwarzwasser".
Heinz-Christian Straches Sturz ist auf der Theaterbühne angekommen. © Matthias Horn
Von Gregor Sander  · 07.02.2020
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Elfriede Jelinek verarbeitet in ihrem neuen Stück die Ibiza-Affäre. "Schwarzwasser" hinterlässt bei den Rezensenten allerdings zwiespältige Gefühle: Die einen verlassen das Theater begeistert, die anderen benommen. Kalt lässt das Werk keinen.
"Bei der 92. Oscarverleihung könnte "1917" von Sam Mendes die besten Chancen haben, andere Ergebnisse wären aber auch okay", orakelt Susan Vahabzadeh in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG kurz vor der Verleihung betont unaufgeregt. Vielleicht weil in der Traumfabrik noch immer so vieles beim Alten ist: "Es wurde, wie schon 86 Mal zuvor, keine Frau in der Regie-Sparte nominiert, und in allen wichtigen Kategorien ist der Hashtag #Oscarssowhite, der die Academy 2016 in hektische Veränderungsversuche stürzte, immer noch aktuell."
Aber immerhin ist der Südkoreaner Bong Joon-ho für seine Hausbesetzer-Farce "Parasite" als bester Regisseur und bester Drehbuchautor nominiert und das sowohl als bester fremdsprachiger Film – und als bester Film überhaupt. "Heißt das nicht, dass sich die Oscars geöffnet haben fürs Weltkino?", fragt Vahabzadeh hoffnungsvoll, um dann zu antworten: "Nein, eigentlich nicht."
Wolfgang Höbel bläst im Wochenmagazin DER SPIEGEL ins selbe Horn: "Überhaupt erst zum elften Mal ist im Lauf der Oscarjahre ein fremdsprachiges Werk in der Kategorie 'Bester Film' nominiert. Doch Höbel zitiert dann zumindest einen entspannten Außenseiter Bong Joon-ho: "Die Oscars seien nur 'ein lokales Ereignis'".

Hitler im Kinderhirn

In der Tageszeitung DIE WELT wird Taika Waititi interviewt, der in dem von ihm inszenierten Film "Jojo Rabbit" einen imaginären Hitler im Hirn eines Kindes spielt: "Leute, die das Skript kannten, haben schon gefragt 'Wie um Himmels Willen willst du das hinkriegen?'. Hätte ich es verhauen, wäre damit meine Karriere nicht notwendigerweise beendet, aber es wäre wohl schwer gewesen, wieder auf die Beine zu kommen", stellt der Neuseeländer fest und darf sich nun neben Schwergewichten wie Tarantino oder Scorsese ebenfalls über eine Nominierung als Bester Film freuen. Der große zeitliche Abstand zu den Naziverbrechen sei für ihn sehr wichtig gewesen, betont Waititi.
Das sieht Elfriede Jelinek offensichtlich ganz anders. In ihrem am Donnerstag im Wiener Akademietheater uraufgeführten Stück "Schwarzwasser" verarbeitete die Nobelpreisträgerin die "Ibiza-Affäre" in Österreich. Erst vor ein paar Monaten stürzten da die Rechtspopulisten der FPÖ über ihre eigene Machtbesoffenheit: "Purer Fließtext, assoziativ dahinstrudelnd wie ein Sturzbach, ein Redeschwall, alles mitreißend, was der Autorin gerade in die Gedankenquere kommt, ob das jetzt sachdienlich ist oder nicht, verständlich oder nicht, die Textlawine fließt und ergießt sich, ihr Grundmotiv: die Gewalt als Ursprung, auch von jeder Politik", schreibt Christine Dössel in der SZ.
Auch Uwe Mattheiß in der TAZ ist beeindruckt: "Elfriede Jelinek berichtet von der Verkürzung, der Karikatur einer rauschhaften Befreiung im gegenwärtigen Populismus, von einer Art Katharsis-Verstopfung, die den Erregten die Bande nicht löst, sondern erstickend um den Hals schlingt."
Bernd Noack von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG hat Robert Borgmanns Inszenierung allerdings ganz anders gesehen: "Das Stück ist redundant, weil es mit den spärlichen greifbaren, freilich unfassbaren Tatsachen dauernd in neuen Varianten jongliert; es hängt in einer trotzigen Empörungsschleife fest, aus der Jelinek nicht mehr herausfindet."

Anti-Silbereisen-Wunderwaffe

Das Fernsehen ist für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG trotzdem keine Alternative. Zumindest wenn es um die Jubiläumsfolge zum 25. Geburtstag von "Wilsberg" im ZDF geht. Dass der Bücherliebhaber auf Verbrecherjagd dafür zum wiederholten Mal nach Norderney versetzt wird, verzeiht Oliver Jungen noch: "Der eigentliche Skandal aber ist das senil-debile Niveau des Skripts, das einen teedünnen Plot mit wattflachen Dialogen und schmierig dümmlichem Humor vereint."
Warum das aber trotzdem in der Glotze läuft, erklärt Wilsberg-Darsteller Leonard Lansink im Berliner TAGESSPIEGEL: "Wir sind halt die Wunderwaffe gegen Florian Silbereisen. Wenn wir sechs Millionen haben, hat er auch 5,9. Es gibt genauso viele Fans von Wilsberg wie von Volksmusik."
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