Aus den Feuilletons

Fragwürdiger Kunstsponsor

04:17 Minuten
Der russische Milliardär Alisher Usmanov.
Der usbekisch-russische Milliardär Alischer Usmanow finanziert Kunstausstellungen. Das freut nicht alle. © picture alliance / Alexander Vilf
Von Arno Orzessek · 15.06.2021
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Der Milliardär Alischer Usmanow sponsort eine Ausstellung über Romantik in der Kunst, die in Moskau und Dresden zu sehen ist. Die "Welt" ist nicht begeistert: Usmanow würde den Kreml finanzieren, zitiert die Zeitung den Oppositionellen Alexej Nawalny.
Zunächst ein Service für alle Eltern, die gerade die Anschaffung neuer Kinderbücher erwägen. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG sondiert Ursula Scheer das Angebot in der Sparte "Kinderbücher von Prominenten". Neben anderen Werken missfällt Scheer ganz besonders das Buch "The Bench" – deutsch: Die Bank – aus der Feder von Herzogin Meghan, Duchess of Sussex.
"Vers für Vers entfaltet es, mal mit, mal ohne Endreim, wie das lyrische Du – der Vater des Kindes – von einer Bank aus dessen Entwicklung verfolgt. Er ist ein Idealbild moderner Männlichkeit, die Ballettübungen im Tutu nicht scheut. Angesprochen wird nie der Sohn, immer nur der Vater – beziehungsweise die vielen Väter werden es, die optisch Diversität ins Buch bringen. Welches Kind aber sollte sich für eine sentimentale Rede eines Elternteils an das andere interessieren?", fragt sich die FAZ-Autorin Ursula Scheer.

Reisetipps für Polen

Und jetzt ein Service exklusiv für Frank-Walter Steinmeier. "Was Bundespräsident Steinmeier wissen sollte, wenn er nun nach Polen fährt", das erklärt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Bartosz T. Wieliński, der stellvertretende Chefredakteur der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Zum Hintergrund: Am Donnerstag reist der Bundespräsident nach Polen, um dort das 30-jährige Jubiläum des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrags zu begehen.
Unter dem Titel "Kein Grund zu feiern" beleuchtet Wieliński die Situation seiner eigenen Branche. "Im Krieg gegen die Medien verwendet die (Regierungspartei) PiS zwei Taktiken. Einerseits überschwemmt sie Medien, die kritisch über sie berichten, mit Klagen. Genau wie Regierungsmitglieder und staatseigene Unternehmen fordert sie viele Millionen Złoty Schadenersatz wegen angeblicher Verleumdung. Es geht darum, Journalisten einzuschüchtern, damit sie aufhören, die Korruption, die Vetternwirtschaft und die Inkompetenz der mit der Macht verbundenen Personen aufzudecken. Aber warum soll man Medien nur verklagen, wenn man sie – und das ist die zweite Taktik – auch einfach übernehmen kann? Orlen, ein staatlicher Ölkonzern, hat vor Kurzem 50 regionale Tages- und Wochenzeitungen von einem deutschen Verlag gekauft, dazu noch 500 Internetportale." Bartosz Wieliński in der SZ.

Romantiker und Milliardäre

Bleiben wir bei den west-östlichen Verhältnissen. Seit April dieses Jahres zeigt die Moskauer Tretjakow-Galerie die Ausstellung "Träume von Freiheit", ein Gemeinschaftsprojekt mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Eben dort, in Dresden, werden die Bilder russischer und deutscher Romantiker ab Oktober gezeigt. Finanziert wird das Projekt von der Stiftung des usbekisch-russischen Milliardärs Alischer Usmanow.
Darüber drückt Alan Posener in der Tageszeitung DIE WELT sein Missfallen aus. "(Usmanow) gehört zu jenen Geschäftsleuten aus dem Umkreis Putins, die Alexej Nawalny schon vor vier Jahren beschuldigt hat, den Kreml zu finanzieren. Wie nahe er Putin tatsächlich steht, lässt sich – das zu schreiben gebietet nicht nur die journalistische Sorgfaltspflicht, sondern auch die Vorsicht – ebenso wenig überprüfen wie die Stichhaltigkeit der Vorwürfe. Sicher ist aber, dass Usmanow Nawalny persönlich hasst. Laut 'Guardian' beendete Usmanow 2017 ein Video, in dem er Nawalnys Vorwürfe zurückweist, mit den Worten: 'Ich spucke auf dich!' Ein zweites Video trug den Titel: 'Ich spucke wieder auf dich!'" In der Darstellung Alan Posener ausgesprochen unappetitlich: Alischer Usmanow, dessen Stiftung die Ausstellung "Träume von Freiheit" finanziert.
Apropos Freiheit! In der TAGESZEITUNG berichtet Volkan Agar über einen Vorgang, der die Freiheit des Wortes betrifft. "Im Januar veranlasste das Bundesinnenministerium die Bundeszentrale für politische Bildung dazu, ihre Definition von Linksextremismus zu ändern. Der taz liegen interne Dokumente vor, die belegen, dass das Ministerbüro von Horst Seehofer entscheidend interveniert hat. Und dass die 'Bild'-Zeitung und ein Unionspolitiker wichtige Impulsgeber dafür waren." Wir empfehlen den zweiseitigen TAZ-Artikel Ihrer Lektüre.
Und küren zum Schluss noch die Überschrift des Tages. Sie steht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG und feiert die Philosophin und Gender-Vordenkerin Judith Butler schön ironisch als "Mutter aller Geschlechter".
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