Aus den Feuilletons

Europa in der "Resignationsfalle"

Der Autor und Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa
Der Autor und Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa © AFP / Jewel Samad
Von Tobias Wenzel · 06.07.2016
Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa attestiert den Europäern eine gewisse Veränderungsmüdigkeit: "Momentan fehlt hier der Hunger auf Neues", sagt er der NZZ und empfiehlt uns, mal wieder Karl Popper zu lesen.
"Europa steckt in einer Resignationsfalle. Momentan fehlt hier der Hunger auf Neues", analysiert Mario Vargas Llosa im Gespräch mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
"Wo immer Veränderungen anstehen, entsteht auch Verlustangst", sagt der peruanische Literaturnobelpreisträger und verweist auf den Philosophen Karl Popper:
"In einer Welt des permanenten Wandels können wir, so Popper, niemals zur 'angeblichen Unschuld und Schönheit der geschlossenen Gesellschaft' zurückkehren, ohne wieder jene zerstörerischen Wirkungen zu entfalten, die man in Europa bereits vergessen glaubte."
Die Venezolaner hätten einst auch den Weg der überschaubaren, geschlossenen, nämlich sozialistischen Gesellschaft gewählt:
"Heute ist Venezuela korrupt, eines der ärmsten Länder der Welt, Caracas die Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate, Geld ist nichts mehr wert, die Menschen verhungern – und das, obwohl Venezuela reich sein könnte", sagt Mario Vargas Llosa und empfiehlt den Europäern indirekt, mal wieder Karl Popper zu lesen.

Habermas für Kern-Europa

Man kann auch einfach in der neuen ZEIT lesen, wie ein anderer weltberühmter Philosoph auf die europäische Krise blickt. Jürgen Habermas hat Thomas Assheuer ein Interview gegeben. Und zwar per E-Mail. Dabei wirkt es wie ein richtiges, wenn auch konzentriertes Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
Habermas beginnt mit einer Kombination aus Medien- und Merkel-Kritik: Er frage sich, "ob sich der Schaumteppich der Merkelschen Politik der Einschläferung ohne eine gewisse Anpassungsbereitschaft der Presse über das Land hätte ausbreiten können."
Dann schlägt der Philosoph zur Rettung der EU ein Kerneuropa aus den Ländern der Euro-Zone vor. "Das spaltet die EU", gibt Assheuer zu bedenken. Darauf Habermas:
"Es stimmt, gegen diesen Plan wird der Vorwurf der 'Spaltung' erhoben. Vorausgesetzt, man will überhaupt eine europäische Einigung, ist dieser Vorwurf unbegründet. Denn erst ein funktionierendes Kerneuropa könnte die in allen Mitgliedstaaten polarisierten Bevölkerungen vom Sinn des Projekts überzeugen."

Ränkespiele in Bayreuth

"Jetzt steht Katharina Wagner mit dem 'Parsifal' vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik", schreibt Reinhard J. Brembeck in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Den Meisterprovokateur Meese hat sie entlassen. Der Meisterdirigent Nelsons hat von sich aus hingeworfen."
Musikdirektor Christian Thielemann sei der Grund gewesen; er habe Nelsons "weggebissen", schreibt Manuel Brug in der WELT und wird dann mit Blick auf Thielemann noch persönlicher:
"Gegenwärtig kneift auch er bei den 'Tristan'-Proben und kränkelt angeblich. Klingt irgendwie nach Weichei."
Eleonore Büning hatte merklich Spaß beim Schreiben ihrer Glosse für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Sie bedenkt Andris Nelsons mit dem Adjektiv "hügelflüchtig". Und zum Dirigenten Hartmut Haenchen, der nun, nur 20 Tage vor der "Parsifal"-Premiere, eingesprungen ist, schreibt sie:
"Das ist mutig, sportlich, da steigt die Wagnerfieberkurve!"

Gelehrte aus dem Gefängnis

Sportlich ist auch die Anzahl der wissenschaftlichen Bücher, die rumänische Gefangene während ihrer Haft selbst geschrieben haben wollen.
"Einem einzigartigen Gesetz zufolge können Straftäter ihre Haft um 30 Tage verkürzen, wenn sie ein wissenschaftliches Werk veröffentlichen. Zwei Werke – 60 Tage. Und so weiter", erläutert Florian Hassel in der SÜDDEUTSCHEN. Etliche reiche Häftlinge hätten mit Hilfe von Universitätsprofessoren plagiierte wissenschaftliche Werke als die eigenen ausgegeben.
Gegen die Beteiligten werde nun ermittelt. Der Vorstoß der rumänischen Justizministerin, den Gesetzesartikel zur Hafterleichterung zu streichen, findet, so Hassel, "keine Mehrheit im Parlament, in dem etliche plagiatsverdächtige Parlamentarier das Sagen haben, die wiederum über oft gute Kontakte zu Gefängnisschreibern verfügen."
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