Aus den Feuilletons

Eine Nacht allein im Picasso-Museum

04:22 Minuten
Das Foto zeigt ein buntes Werk von Pablo Picasso im Grand Palais in Paris.
Eine Nacht inmitten von Picassos Werken wirkt inspirierend und lädt zum Träumen ein. © picture alliance / dpa / Sylvestre / MAXPPP / GRAND PALAIS EXPOSITION PICASS
Von Paul Stänner |
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Der Schriftsteller Kamel Daoud hat eine ungewöhnliche Nacht allein im Museum verbracht. In der "Welt" schildert er sein Nachdenken über die Bilder von Picasso und dessen Umgang mit Wollust und Grausamkeit.
Die Urlaubszeit geht zu Ende, die Erfahrungen werden ausgewertet. Im TAGESSPIEGEL heißt es, der jüngste Aufstieg des Wohnmobils werde wohl so schnell nicht abflachen, denn: "Schließlich ist nicht zu erwarten, dass die stolzen Van-Besitzer ihre neu erworbenen Gefährte wieder gegen ein Ferienhaus oder gar ein Zelt tauschen."
Das Zeitgemäße am Wohnmobil ist die coronagerechte Distanzierung von den Mitmenschen. Aber wenn sich alle Mitmenschen gleichzeitig voneinander distanzieren wollen, schlägt der Herdentrieb ins Gegenteil um: Die erlaubten Stellplätze sind heillos überfüllt, oft mit Fäkalien verunreinigt und vermüllt. Die Freiheit, die die Werbung versprach, ist eine trübe Vision. Fazit des Autors nach einem Wohnmobil-Urlaub: "Man zieht verborgen in seiner Höhle mit den großen Heerscharen. Man ist im Kollektiv isoliert."

Eine Nacht allein in einem Picasso-Museum

Der Schriftsteller Kamel Daoud, Autor der WELT, ging den entgegengesetzten Weg: Er genoss das Privileg, eine Nacht allein in einem Picasso-Museum zu verbringen. Daoud ist Moslem, aufgewachsen mit einem kulturell anderen Verständnis von Körperlichkeit, womöglich gar Nacktheit. Im Museum ersinnt er eine Geschichte mit einem Protagonisten namens Abdellah und schreibt:
"Abdellah wird vor der Nacktheit immer Unbehagen empfinden. Sie bedeutet Ungehorsam, Verlust der Wurzeln, Haltlosigkeit, Unmoral. Aber das sind nur Worte, die das Wesentliche verbergen: Seine Beziehung zu seinem eigenen Körper. Seine Weigerung, anzuerkennen, dass er einen hat." Soweit Abdellah. Aber sein Schöpfer hat verstanden:
"Die schönste liebende Vereinigung zweier Körper ist die, in die sich weder Riten noch Götter, weder Gesetze noch Zeugen oder Beisitzer einmischen. Eine solche Vereinigung vielleicht, auf halbem Weg zwischen Wollust und Grausamkeit, malt Picasso." Das war dann doch eine coronagerecht und außerdem belehrt verbrachte Nacht in Paris.

Die Stunde der Pseudoexperten

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE wettert gegen Pseudoexperten, die in der Coronakrise Verunsicherung streuen: "Das sind Seelenfänger und Intellektuelle, oft Akademiker mit Titel, die vorgeben, selbst aus dem Milieu der Wissenden zu kommen, und doch lediglich über das Gerüst eines Halbwissens verfügen." Zum Beispiel: "Der pensionierte Mainzer Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, der Masken für Kindesmisshandlung hält und erst jüngst feststellte, dass es seit Wochen keine neuen Covid-19-Kranken mehr im Land gebe, wird immer noch millionenfach geklickt."
Der Erzschurke ist natürlich Donald Trump, der den renommierten Experten Anthony Fauci öffentlich niedermacht. Eben jetzt hat er laut FAZ "mit dem ehemaligen Neuroradiologen Scott Atlas von der Stanford-Universität einen Pseudoexperten an die Spitze seines Corona-Beraterstabs gesetzt, der geeignet ist, die Konspirationsphantasien auf Seiten aufrichtiger Virologen und Epidemiologen in Schwung zu bringen. In seinem ersten Interview korrigierte Atlas den vorsichtigen Seuchenexperten Fauci: In den College-Football-Stadien sollten, so will es Scott Atlas – und so wollte es Trump schon länger, endlich wieder amerikanische Bürger jubeln dürfen". Und auf dem Heimweg dürfen sie husten.

Boris Johnsons Verbindungen zu Russland

Wir ziehen im letzten Beitrag noch einen possenhaften Politiker aus dem Köcher. Wieder berichtet die FAZ darüber, dass der britische Premier Boris Johnson neben verdienten Parteigängern seiner Brexit-Kampagne auch zwei befreunde Oligarchen russischer Abstammung ins Oberhaus befördern will, was eine lebhafte Diskussion über Russland, Russen und russischen Einfluss auf Boris Johnson in Gang gesetzt hat.
Offenbar kommt Johnson dabei der Praxis sehr nahe, die er vor Jahren – damals noch als Journalist – als die "widerliche Art eines Machtversessenen wie Tony Blair" geißelte, der diese "große und alte Legislative" mit seinem Klüngel vollstopfte.
Der kluge Boris Johnson – er hat beobachtet, er hat geschimpft, er hat kopiert. Die Logik des Aufsteigers.
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