Aus den Feuilletons

Eine Frage der Wortwahl

04:15 Minuten
In einem Grundgesetz wurde im Artikel 2 das Wort Rasse durchgestrichen.
Problem gelöscht, aber nicht behoben: Ist das Entfernen des Wortes "Rasse" aus Artikel 3 wirklich der richtige Weg, fragt sich die "Welt". © imago images / Steinach
Von Tobias Wenzel · 17.02.2021
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Das Bundesjustizministerium will das Wort "Rasse" aus Artikel 3 des Grundgesetzes streichen und durch "aus rassistischen Gründen" ersetzen, berichtet die "Welt" und warnt, dass Rassismusopfer so weniger geschützt seien.
Vom N- und vom R-Wort und von den K-Dramen berichten die Feuilletons vom Donnerstag. Schön, dass es da noch zwei gut klingende abkürzungsfreie Sätze gibt, die sich eignen, um diese Kulturpresseschau adrett zu rahmen.

Political Correctness oder Dogmatismus?

"Haare sind so viel mehr als tote Hornfäden", schreibt Christine Lemke-Matwey und macht mit diesem Satz Lust auf die Lektüre ihres Artikels für DIE ZEIT. Die Zeit dieser Feuilletonpräsentation reicht aber leider nicht dafür aus. Drum gleich zur TAZ: "Sie sind alle ins Fahrwasser der Political Correctness geraten und planschen nun munter im dogmatischen Strudel herum", schreibt Steffen Grimberg in seiner Medienkolumne und meint unter anderem die "New York Times". Die hat nämlich ihren Wissenschaftsredakteur Donald McNeil entlassen.
"McNeil wurde vor zwei Jahren auf einer Exkursion von einer Studentin gefragt, ob es richtig sei, dass man wegen der Verwendung des 'N-Worts' von der Schule fliegen könne. Worauf McNeil das Wort aussprach", berichtet Grimberg. Was Grimberg nicht sagt: McNeil soll das Wort "Neger" – so wie hier in diesem Satz – nur metasprachlich gebraucht haben, also um sich über das Wort und die möglichen Folgen seiner beleidigenden und rassistischen Verwendung zu verständigen.
Erstaunlich ist, dass sich Grimberg einerseits über diese zur Cancel Culture führenden Political Correctness echauffiert, sich aber andererseits selbst politisch korrekt gibt, indem er nur vom "N-Wort" spricht, sich also nicht traut, das Wort "Neger" auszusprechen, als würden durch den bloßen metasprachlichen, also nicht an jemanden adressierten Gebrauch dieses Worts Menschen tiefe Verletzungen zugefügt. Vielleicht hat Grimberg auch einfach Angst, seine TAZ-Kolumne zu verlieren.

Neuer Wortlaut für Artikel 3 des Grundgesetzes

Sicher sprechen einige bald auch nur noch vom R-Wort. In den nächsten Tagen wird die Koalition einen Vorschlag dazu machen, wie mit dem Wort "Rasse" im Grundgesetz umgegangen werden soll. Niemand dürfe zum Beispiel wegen seines Geschlechts oder auch seiner "Rasse" benachteiligt oder bevorzugt werden, heißt es dort.
Das Wort "Rasse" im Grundgesetz ist natürlich unschön. Denn Rassen gibt es nicht. Außer in den Köpfen von Rassisten. "Wenn es nach dem Entwurf des Bundesjustizministeriums geht, soll die 'Rasse' in Artikel 3 künftig der Wendung 'aus rassistischen Gründen' weichen", schreibt Thorsten Frei, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in der WELT.
Er fürchtet, dass eine solche Änderung den Schutz von Rassismusopfern verringern könnte, weil als Voraussetzung für die "Benachteiligung aus rassistischen Gründen" dann eine rassistische "Gesinnung" vorliegen müsste. Um das mögliche Problem zu umgehen und sich gleichzeitig vom Wort "Rasse" zu distanzieren, setzt Frei auf die Ergänzung "vermeintlich". Also: "Niemand darf wegen seiner … vermeintlichen Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden."
Vielleicht kommt ja auch noch jemand auf die Idee, das Wort "Rasse" abzukürzen, im heute verbreiteten Glauben, durch das Nichtaussprechen von Worten könne man die dahinterstehenden Probleme aus der Welt schaffen: Niemand darf wegen seiner R. benachteiligt oder bevorzugt werden.
Vom R-Wort zum, wie es in der ZEIT heißt, "K-Drama". "K" steht hier für Korea. "Pandemieserien aus südkoreanischer Produktion erreichen Deutschland", schreibt Sabine Horst. "In 'Sweet Home' etwa verwandeln sich Menschen nicht in Zombies, sondern in kreativ individualisierte Monster, die sprechen können und selbst mit zersäbeltem Kopf nicht aufgeben."
Ja, puh, gut, ist vielleicht auch nicht jedermanns Sache. Zum Glück geht Pandemiehorror auch schlichter. Das erfährt man aus dem ersten Satz in Alain Claude Sulzers Artikel für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Gestern Nacht träumte ich, ich hätte Hände geschüttelt."
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