Aus den Feuilletons

Ein Holzspan vom Bett des großen Dichters

04:20 Minuten
Der deutsche Dramatiker und Dichter Friedrich Schiller
Friedrich Schiller: Die Begeisterung für ihn und der Rummel um ihn kannten keine Grenzen. © picture alliance / dpa
Von Gregor Sander · 17.11.2020
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Friedrich Schiller wurde als Freiheitsdenker auch nach seinem Tod umjubelt, berichtet die FAZ. Das Marbacher Literaturarchiv dokumentiert die skurillen Züge der Heldenverehrung. Nicht nur Papierschnipsel wurden reliquiengleich verteilt und verkauft.
Mit den Worten "Mia san mia" wird in München, in der Heimat des amtierenden Champions League-Siegers, gerne Selbstbewusstsein demonstriert. Im Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hat man so einen Bayern im Geiste nun ganz woanders entdeckt:

McConaughey ist der FC Bayern unter den Schauspielern

"Wer Matthew McConaughey mag, kann Gewinner nicht ablehnen. Er ist der FC Bayern unter den amerikanischen Schauspielstars, ein gut aussehender Sonnyboy mit dem Körper eines Surfers, der etwas beunruhigend Zuversichtliches ausstrahlt", schwärmt Johanna Adorján. Nun hat dieses Oscar prämierte Prachtexemplar auch noch eine Biografie geschrieben, die bisher allerdings nur auf Englisch erschienen ist, wie die Autorin zugibt. Trotzdem zitiert sie Folgendes daraus:
"Manchmal müssen wir das, was wir wissen, verlassen, um herauszufinden, was wir wissen." Oder: "Nicht nur, was wir tun, auch was wir nicht tun ist wichtig", weissagt der amerikanische Schauspieler.
Zum Glück ordnet Johanna Adorján das, bei aller Schwärmerei, noch selber ein: "Als Werk eines Zwölfjährigen, der gerade eben seinen ersten Joint rauchend Hesse entdeckt, wäre das beachtlich. Wenn man weiß, dass es ein 50-jähriger Familienvater veröffentlicht, wirkt es leider ein winziges bisschen doof."

Die Schwägerin zerschnitt Schillers Manuskripte

Dem stimmen wir uneingeschränkt zu und verlassen die SZ in Richtung FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Hier berichtet Helmuth Mojem, Mitarbeiter des Literaturarchivs in Marbach, von der zeitgenössischen Verehrung Friedrich Schillers, die nach dessen Tod skurrile Züge annahm:
"Caroline von Wolzogen, die Schwägerin und Nachlassverwalterin Schillers, zerschnitt etliche der nur spärlich erhaltenen Manuskripte des Meisters, um die Autographen-Schnipsel freigiebig an Schiller-Verehrer zu verteilen." Woraus, laut Mojem, ein regelrechter Handel entstand:
"Geschäftstüchtige Antiquare machten sich diese Situation zunutze und verkauften die Schnipsel zu Preisen weiter, die allenfalls für das gesamte Manuskript gerechtfertigt gewesen wären."
Selbst Holzspäne von Schillers Bett wurden so unter die Leute gebracht und landeten inzwischen gemeinsam mit den Textschnipseln im Marbacher Literaturarchiv. Bei Letzteren ist sich der FAZ-Autor sicher, dass "deren digitale Zusammenfügung eine kommende Germanistengeneration in Lohn und Brot setzen kann".

Klimaklagen aus der Zukunft

In die Zukunft blickt auch der neue Fernsehfilm "Ökozid" von Andres Veiel, der am Mittwoch in der ARD läuft und jetzt schon in der Mediathek steht. Im Sommer 2034 wird hier die Bundesrepublik Deutschland von ärmeren Ländern im Süden vor den Internationalen Gerichtshof gebracht, weil die Angeklagten Gerhard Schröder und Angela Merkel im Heute nichts gegen den Klimawandel getan haben, der in dieser nahen Zukunft nun Realität ist.
"In den meist soliden, mal geistreichen Wortgefechten wird sichtbar, dass die deutsche Politik in Brüssel Klimaschutz nach 2000 wirksam sabotierte", urteilt Stefan Reinicke in der taz, und auch Alex Rühle in der SZ ist voll des Lobes: "Zum mutigen Kunstwerk wird dieser Film dadurch, dass die eigentlichen Hauptfiguren hier die Fakten und Argumente sind. Sie belegen, dass Deutschland seit 30 Jahren alle konsequente Umweltpolitik blockiert und aushebelt."

Umweltverschmutzung ist nicht gleich Genozid

Ein deutliches "Einspruch, Euer Ehren" ist wiederum bei Alan Posener in der Tageszeitung DIE WELT zu lesen, der sich schon am Titel "Ökozid" stört: "Umweltverschmutzung – genauer: die Emission von Treibhausgasen – wird durch die Wortwahl auf die gleiche Stufe gestellt wie Genozid. Das Bauen von Kohlekraftwerken auf die gleiche Stufe wie das Bauen von Gaskammern. Wer die moralische und künstlerische Latte so hoch hängt, muss sehr von sich überzeugt sein", so Posener.
Oliver Jungen von der FAZ stört sich an der Umsetzung des brisanten Themas: "Wenig aufregend wirkt schon das Setting eines Gerichtssaals im Zelt (Den Haag ist bereits abgesoffen). Schablonenhaft sind auch die Charakterzeichnungen: hier die Engagierten, dort die Uneinsichtigen. Zwischentöne würden stören. Das alles darf bedauert werden, gerade weil das Thema so wichtig ist."
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