Aus den Feuilletons

Dürfen Vergewaltigungsopfer und Täter auf eine Bühne?

Eine leere Theaterbühne
Eine leere Theaterbühne © imago/AGB Photo
Von Gregor Sander · 09.05.2017
Die isländische Publizistin Thordis Elva wurde in jungen Jahren vergewaltigt und hat mit dem Täter zusammen ein Buch geschrieben. Ihre gemeinsamen Auftritte treffen nun auch auf viel Ablehnung, berichtet die "taz", eine Lesung auf dem Women of the World Festival in London wurde abgesagt.
Die isländische Publizistin Thordis Elva hat ihren Vergewaltiger, den Australier Tom Stranger, kontaktiert und mit ihm ein Buch geschrieben. 20 Jahre nach der Tat. "Ich will dir in die Augen sehen", lautet der Titel und ist in Deutschland bei Knaur erschienen. Eine mutige Arbeit, die aber auf viel Ablehnung trifft, wie Mithu Sanyal in der TAZ berichtet.
"So musste die Lesung von Elva und Stranger auf dem Women of the World Festival (WOW) in London abgesagt werden, weil mehrere Tausend Menschen eine Petition dagegen unterschrieben hatten. Ähnliche Proteste gab es in Bristol. Ein solches Buch ist nach wie vor ein Tabubruch."

Gefahr der Normalisierung sexualisierter Gewalt?

Thordis Elva versteht das Buch als persönliche Aufarbeitung ihres Traumas. Opfer und Täter korrespondierten acht Jahre miteinander, bevor sie sich tatsächlich trafen. Leicht haben sie es sich also nicht gemacht. Viele wollen beide zusammen aber trotzdem nicht auf einer Bühne sehen.
"Die Petition in London argumentiert, der Auftritt von Elva und Stranger auf dem WOW Festival würde 'sexualisierte Gewalt normalisieren, anstatt sich darauf zu konzentrieren, die Verantwortung zu übernehmen und gegen die Wurzeln von Gewalt vorzugehen'."
Genau dies geschehe aber in diesem erstaunlichen Buch, stellt Mithu Sanyal in der TAZ fest:
"Das Absurde ist, dass Stranger angegriffen wird, weil er sich seiner Tat stellt. Wenn er geleugnet hätte, wäre er fein raus. Es gab keine Anzeige. In den Augen der Welt wäre er ein unbescholtener Mann und Elva eine hysterische Ziege."
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG wird der neue Film von Volker Schlöndorff besprochen, der sich mal wieder einem Buch von Max Frisch gewidmet hat. Aber hat er es auch verfilmt? Nicolaus Freund hat da so seine Zweifel.
"Dies ist keine Literaturverfilmung, sondern ein Film mit einem Buch in der Hauptrolle",
stellt er in der SZ fest. Denn Schlöndorff hat den Frisch einfach ein wenig weiter gesponnen, und der Film heißt so auch "Rückkehr nach Montauk". Gelungen ist das trotz Starbesetzung nur mäßig, wie Freund feststellt.
"Stellan Skarsgård (Skarrschgohrt), der vom Superheldenfilm bis zum Musical eigentlich alles kann, nimmt man diesen Konflikt nicht ab. Die Frage nach der richtigen Frau, die ihn zerfressen sollte, scheint er einfach nur auszusitzen."
Tilmann Krause von der Tageszeitung DIE WELT ist da milder gestimmt und erliegt dem schwedischen Schauspieler und…
"seinem etwas ranzig gewordenen, aber in seinem naiven Narzissmus auch wieder rührenden Charme, den Stellan Skarsgård wirklich großartig rüberbringt."

Nina Hoss als legitime Nachfolgerin von Greta Garbo

Für Krause ist der Star des Films allerdings eine Frau.
"Vielleicht zum ersten Mal erkennt man Nina Hoss in diesem Film als eine der großen Leidenden der Leinwand, als legitime Nachfahrin der Bergner oder der Garbo. Voller Valeurs jedenfalls, die die seelische Reduziertheit der meisten Frauen im deutschen Film von heute weit in den Schatten stellt."
Der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow hat in den neunziger Jahren gegen den Schachcomputer Deep Blue verloren. Trotzdem hat er keine Angst vor der intelligenten Maschine.
"Ich glaube, die Angst, künstliche Intelligenz könnte die Weltherrschaft übernehmen, taugt lediglich als gute Story für Hollywood",
teilt er der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG mit. Maschinen haben keine guten oder schlechten Absichten und werden dies auch nie haben, ist sich der Großmeister sicher.
"Was mich besorgt, sind die Menschen, die sie gebrauchen."
Die künstliche Intelligenz in der Hand von Diktatoren macht Kasparow dann doch Angst. Mut hingegen macht ihm ein Ereignis, dass große Teile der Welt eher entsetzt hat.
"Wir sollten Trump dankbar sein, dass er gewonnen hat. Seitdem das in Amerika passiert ist, sind die Leute aufmerksam geworden. Jetzt ist ihnen klar, dass die Fake-News-Industrie, das Hacking praktische Auswirkungen hat. Trumps Sieg war ein Weckruf",
behauptet Kasparow. Dieser Wecker wird in Washington nun vermutlich vier Jahre klingeln. Bleibt zu hoffen, dass wir uns nicht irgendwann alle die Ohren zuhalten.
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