Aus den Feuilletons

"Die Ukraine ist in uns eingedrungen"

Ein Panzer fährt auf der Straße.
Ein Panzer der Rebellen der "Volksrepublik Donezk" fährt am 21. Juli 2014 durch die Stadt. © dpa / picture alliance / Yann Foreix
Von Klaus Pokatzky · 21.07.2014
Ob der Flugzeugabsturz in Donezk oder der Krieg in Syrien – die Kulturseiten kommen in diesen Tagen an der Politik nicht vorbei. Mit bitterer Ironie blickt der Moskauer Schriftsteller Wladimir Sorokin in der "FAZ" auf das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine.
"Die Schnodderigkeit der Berliner ist legendär", stellt die BERLINER ZEITUNG fest.
"Unvergessen ist etwa jene Begebenheit im Bus Nr. 100", erzählt Anke Westphal, "als eine arglose Touristin dem Busfahrer beim Einsteigen demütig ihre Fahrkarte hinhielt und von diesem angebellt wurde: 'Soll ick da rinbeißen!'"
Genau, dafür ist Berliner Schnauze da.
"Ist jetzt überall Krieg?", fragt die Tageszeitung TAZ, meint damit aber nicht den Berliner Nahverkehr. "In fast jeder Richtung begegnet einem ein Szenario aus Mord, Zerstörung und Gewalt."Da ist etwa "Syrien in seinem ganz eigenen Dreißigjährigen Krieg", wie Arno Frank schreibt.
"Aus dieser Perspektive erscheint Europa als zivilisierte Insel des Wohlstands und der Verwöhnung in einem Meer der Barbarei. Eine Insel, deren Bewohner sich die Zeit durch hysterische Selbstgespräche über sportliche Wettbewerbe und die Anerkennung ihrer Fettleibigkeit als Schönheitsideal vertreiben."
Russlandversteherei aus berufenem Munde
Nicht ganz eine Insel – das sieht Arno Frank ja auch: "in den Weizenfeldern der Ukraine spielen betrunkene Gorillas mit anspruchsvoller Militärtechnik herum". Ob und wie sie das vielleicht mit russischer Hilfe tun, werden künftige Generationen von Historikern erfahren, die dann Moskauer Archive heimsuchen dürfen. "Die Ukraine ist in uns eingedrungen", lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Wir tragen sie alle in uns: Obdachlose und Oligarchen, Bauern und Politologen, Hausfrauen und Hasardeure", schreibt der russische Schriftsteller Wladimir Sorokin. "'Die Ukraine gibt es nicht, es gab sie nicht und wird sie nicht geben! Es ist eine Provinz von Großrussland!'", kreischten die rechten Politiker. 'Die Ukraine ist ein Spiegel für das Putin-Regime', erkannten die Politologen und rückten ihre Brillen zurecht. 'Es wird Zeit, in die Ukraine auszuwandern', murmelten die Demokraten."
Das ist mal Russlandversteherei aus berufenem Munde; Wladimir Sorokin lebt am Moskauer Stadtrand und wird sich mit seinem Text nicht viele Freunde unter den Putin-Verstehern machen. "Die Reaktion des Kremls"auf die Geburtswehen einer neuen Ukraine beschreibt er als ...
"... eisenhart: Abtreiben! Weg mit dem verhassten, gefährlichen, ungewollten Kind! Die Abtreibung wurde 'russischer Frühling in der Ukraine' genannt. Separatisten, Saboteure, Freischärler, Abenteurer und Provokateure sollten sie vornehmen."
Für Wladimir Sorokin ist klar, dass eine Rakete aus der "Volksrepublik Donezk" auf die Boeing 777mit der Flugnummer MH17abgefeuert wurde: "ein Schmerzkrampf, der schreckliche und unumkehrbare Folgen verheißt". Genaueres werden spätestens Historiker künftiger Generationen klären – im Propagandakrieg stehen wir heute schon.
"Wie der britische Telegraph berichtet, hat jemand aus dem Netz des russischen staatlichen Rundfunks den Wikipedia-Artikel über den abgestürzten Flug MH17 mit der Behauptung ergänzt, das Flugzeug sei von ukrainischen Soldaten abgeschossen worden", erfahren wir aus der TAZ: "so plumpe Änderungen wie beim Flug MH17 werden von den Wikipedia-Autoren schnell entdeckt und oft innerhalb von Sekunden rückgängig gemacht."
Wird sich der Limburger Ex-Bischof bei uns wohlfühlen?
Neues kann jetzt bei Wikipedia zu einer deutschen Biografie eingetragen werden.
"Franz-Peter Tebartz-van Elst zieht nach Regensburg um!", verkündet die Tageszeitung DIE WELT. "Wird sich der Limburger Ex-Bischof wohnungsbautechnisch bei uns wohlfühlen?, haben sich die Regensburger besorgt gefragt"
–und Barbara Möller sucht in der WELT schon mal nach standesgemäßer Unterkunft. Ein krasser Gegenentwurf zu barocken Bischöfen war der nun verstorbene Aldi-Gründer Karl Albrecht mit seiner Verweigerung aller medialen und sonstigen Öffentlichkeit. Jürgen Kaube in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN:
"Warum soll man Parties besuchen, wenn man den Preis für Direktsaft, Bio-Shrimps und Küchenpapier bestimmt?"
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