Aus den Feuilletons

Die Royals als Tunichtgute

04:23 Minuten
Beim Weihnachtsportrait der Königlichen Familie von England ist die Queen, auf einer Bank sitzend, von ihren Angehörigen umgeben.
Sind die Royals im richtigen Leben ganz anders? In "The Crown" würden sie als launisch und hochnäsig charakterisiert, schreibt Gina Thomas. © picture alliance / AP Photo / Mario Testino
Von Arno Orzessek · 09.12.2020
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In England wird über die neueste Staffel der Netflix-Serie "The Crown" heftig diskutiert, schreibt die FAZ. Die Macher der Serie würden die Königlichen Familie absichtlich in ein schlechtes Licht stellen, um die Monarchie zu unterhöhlen.
Zunächst an die Spree.
In der Wochenzeitung DIE ZEIT möchte Florian Illies die Hauptstadt-Melancholie während der Pandemie fühlbar machen und nimmt das Publikum auf einen Spaziergang durch Berlin-Mitte mit. Illies wendet dabei den aus seinen Büchern bekannten Kniff an, vornehmlich historische Namen, Orte und Ereignisse für eine gediegene Lehnstuhl-Lektüre zu präparieren, zu der man Pfeife rauchen könnte. Immerhin, es gibt auch so etwas wie eine These – nämlich diese:
"Der stille Shutdown hat die ganze Stadt um ihre Existenzgrundlage gebracht: die Besessenheit für das Jetzt, die Dauerverheißung Zukunft."
Das ist unscharf, vielleicht auch gar nicht richtig, aber es klingt gut und liest sich nicht schlecht – Illies halt.

Keine Vorfreude auf die Schloss-Eröffnung

Härter zur Sache geht der ZEIT-Kollege Hanno Rauterberg. Der nach der Besichtigung des Berliner Schlosses samt Humboldt Forum wenig Vorfreude auf die geplante Teil-Eröffnung nächste Woche verbreitet.
"Die aseptische Ästhetik erinnert nicht zufällig an Helmut Schmidts Ausspruch, sein Amtssitz in Bonn habe den Charme einer rheinischen Sparkasse; nur tritt jetzt hier, im Schloss, das Staatswesen in der Formensprache einer Berliner Großversicherung auf. Diese Art einer kargen Auswechselbarkeit entspricht ziemlich genau der Bedeutungsarmut des Humboldt Forums. Bis heute will dort kein Funke zünden, alle Beschwörungen von Weltläufigkeit laufen ins Leere. Selbst die schwarze Fahne des Künstlers Kang Sunkoo, die an die Verbrechen der Kolonialzeit gemahnt, könnte man im kahl-kühlen Treppenhaus des Schlosses glatt für ambitionierte Kaufhausdeko halten."
Noch härter als Rauterberg mit Schloss und Forum springt Eva Menasse in selbiger ZEIT mit Maxim Biller um. Der die umstrittene Kabarettistin Lisa Eckhardt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG kürzlich rigoros nazifiziert und zur Antisemitin erklärt hat. Typisch Biller, konstatiert Menasse.
"Wie hat er denn, bloß innerhalb der letzten Monate, vergleichbar wortmächtige Frauen bezeichnet? Juli Zeh: ‚Unterhaltungsschriftstellerin und manische Lockdown-Kritikerin‘ (SZ), Thea Dorn: ‚Fernsehliteratin mit stählerner K-Gruppen-Sprache‘ (SZ), Margarete Stokowski: ‚Spiegel-Politoffizierin und Karl-Marx Fan-Girl‘ (ZEIT). Und nun also Lisa Eckhart mit ihrem ‚Nazi-Domina-Look‘, der ‚sehr blonden HJ-Frisur‘ und dem ‚grimmigen Lebensborn- Gesicht‘. Wer kein Schlappschwanz ist, bedient sich aus immer derselben Totalitarismus-Kiste, Hitler oder Stalin, denn härter wird’s nicht."
Beinhart auf Anti-Biller-Kurs: Eva Menasse in der ZEIT.

Mit Twitter in die Hölle?

Derweil verschreibt der Herausgeber Jakob Augstein der Wochenzeitung DER FREITAG ein Interview mit sich selbst. Augstein hat nämlich das Twittern gelassen und tut nun kund:
"Als der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck seinen Abschied von den sozialen Netzwerken verkündet hat, wurde er gefragt: Macht Twitter die Menschen böse? Gute Frage. Er hat sich in der Antwort politisch korrekt zurückgehalten. Ich jedoch bin kein Politiker, also sage ich Ihnen: Twitter bringt das Schlechteste in den Menschen hervor. Über Twitter führt ein Weg zur Hölle."

Falsche Geschichte über die Royals

Und über Netflix ein Weg in die Geschichtsklitterung.
Jedenfalls wird in Großbritannien laut der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG die Serie "The Crown" und zumal die vierte Staffel immer heftiger attackiert. Und das liegt laut Gina Thomas vor allem an Drehbuchautor Peter Morgan, der so freimütig auf die historische Korrektheit pfeift, dass man dahinter Methode wittert.
"Den Machern von 'The Crown' wird nicht ohne Grund unterstellt, die Monarchie zu unterhöhlen mit mokanten Charakterisierungen der Royals als launische, geschädigte, hochnäsige, ichbesessene Tunichtgute, die sich in ihrem goldenen Käfig auf Kosten anderer amüsieren mit absurden Saufspielen wie Ibble Dibble, wenn sie nicht mit dick aufgetragener Symbolik Tiere töten oder sich gegenseitig zerfleischen."
Ebenfalls in der FAZ stellt Reent Martens die Frage des Jahres: "Was will uns das Virus sagen?" Folgt man Martens: eine ganze Menge. Die wichtigste Botschaft des Virus steht allerdings in der FAZ-Unterzeile und klingt gar nicht übel – im Gegenteil.
Sie lautet: "Es gibt ein richtiges Leben im falschen."
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