Aus den Feuilletons

Die Abschaffung der Pressefreiheit

Der Taksim-Platz in Istanbul - im Hintergrund ein Bild von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Mit vorgezogenen Neuwahlen und der Abschaffung der Pressefreiheit will der türkische Präsident Erdogan seine Macht sichern, kommentieren die Zeitungen. © imago / IP3Press
Von Hans von Trotha · 26.04.2018
Erneut hohe Haftstrafen gegen türkische Journalisten – das Erdoğan-Regime stehe kurz vor seinem Ziel der Abschaffung der Pressefreiheit, kommentiert die "TAZ". Die "FAZ" erklärt, was der Fuhrpark des türkischen Präsidenten mit den vorgezogenen Neuwahlen zu tun hat.
"Die Freiheit der Ideen muss grenzenlos sein", fordert der Historiker Volker Reinhard in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Wer die Freiheit der Ideen einschränkt", führt er aus, "betreibt das Geschäft der Inquisition und untergräbt die Fundamente der Demokratie, denn diese beruht auf dem Prinzip, dass sich Staatsbürgerinnen und Staatsbürger selbständig, ohne sortierende Bevormundung, ihre Meinung bilden." Tja, Herr Erdogan.
TAZ und FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG lassen in ihren Feuilletons die hohen Haftstrafen für Journalisten der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" kommentieren. In der taz meint Wolf Wittenfeld:
"Mit dem Urteil steht das Erdoğan-Regime kurz vor seinem Ziel – der Abschaffung der Pressefreiheit in der Türkei."
In der FAZ kommentiert Michael Hanfeld: "Angesichts des Flüchtlingsdeals sieht es leider nicht danach aus, als käme aus Europa mehr als der übliche, lahme Protest gegen die türkische Regierung, die immer noch meinen darf, ihr Land sei ein EU-Beitrittskandidat."

Palast mit tausend Zimmern

In der FAZ schreibt zudem der türkische Journalist Bülent Mumay:
"Die Türkei steht vor den bedenklichsten Wahlen ihrer Geschichte", meint er. "Nach der Verkündigung des Datums für die vorgezogenen Neuwahlen", erzählt er, habe sich ein AKP-Abgeordneter "in einem regierungsnahen Blatt in Empfehlungen für die Kandidaten seiner Partei ergangen: ‚"Verbergen Sie", heißt es da, "Ihre Luxusautos, falls sie welche haben, vor der Öffentlichkeit.´" Mumay fragt sich:
"Wie diese Empfehlungen wohl bei Erdogan ankommen, der in einem Tausend-Zimmer-Palast residiert und über eine Flotte von elf Flugzeugen und drei Hubschraubern, vierzehn gepanzerten Fahrzeugen, 28 Jeeps, sechs Krankenwagen, zwei Feuerwehrautos und dreißig Motorradfahrern verfügt?"

Vorgezogene Wahlen auch in Malaysia

Vergleichbare Probleme scheint Malaysias Premierminister Najib Razak zu haben. Der will schon am 9. Mai wiedergewählt werden, berichtet Michael Lenz in der taz aus Kuala Lumpur.
"Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit vor über 60 Jahren könnte der Opposition der Machtwechsel gelingen. Mit einem durch das Parlament gepeitschten ‚Anti-Fake-News-Gesetz‘ will die Regierung nun Medien, soziale Netzwerke und die Opposition daran hindern, die massiven Korruptionsskandale zu thematisieren. Dabei", so Michael Lenz, "spielen auch Karikaturen eine Rolle: `Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?´, fragt etwa Rosmah Mansor, luxus- und machtverliebte Gattin des Premierministers den Spiegel. Die Antwort bringt sie zur Weißglut – und den Spiegel wegen `Fake News´ ins Gefängnis."

Führungsstil mit philosophischem Muster

Da geht es uns in den westlichen Demokratien doch verdammt gut. Frankreich etwa – da bedeutet politisches Feuilleton, den Führungsstil des Präsidenten nach seinen philosophischen Mustern zu sortieren. Mark Leonhard erklärt uns in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dass "Emmanuel Macrons Auftritt in Washington Ideen seines Lehrers Paul Ricoeur" gefolgt sei – nämlich einerseits: "den Konsens durch Dissens zu finde, also Positionen miteinander zu vereinigen, die durch ihren Gegensatz nicht zueinander finden können" und andererseits "die Neugründung Frankreichs durch die Neugründung Europas".
Da fragt man sich: Wieviel Adorno steckt in Angela Merkel – und wie könnte sich Deutschland neugründen.

Spanien sucht einen Hymnen-Text

Immerhin, wir haben eine Nationalhymne. Das haben die Spanier nicht, worauf Paul Ingendaay in der FAZ hinweist. Also eine Hymne schon, aber ohne Text.
"Die Nationalhymne des alten Königreichs", erklärt Ingendaay, "geht auf den `Königsmarsch´ aus dem achtzehnten Jahrhundert zurück, und damals wurde eben geblasen und getrommelt, nicht gesungen."
Jüngst habe die Popsängerin Marta Sánchez als Zugabe ihre selbstgedichtete Version der spanischen Nationalhymne dargeboten – Ingendaay dazu: "fürchterliches Geschluchze, lausig gedichtet" – gefolgt von dem Schlagersänger Alejandro Abad .
Ingendaay: "Auch er schluchzte, aber eben als Mann. Dann ermunterte der Sänger andere, ihre eigenen Versionen der Nationalhymne zu schreiben, das wäre doch herrlich, und das", meint Ingendaay, "wiederum stimmt: Wenn alle Spanier", fantasiert er, " – wirklich alle – zur Hymne ihren eigenen Text schrieben und zur spanischen Gitarre griffen, um sich singend ans Fenster zu hocken, dann wäre in Katalonien zwar immer noch nichts gewonnen, doch die Welt wäre bestimmt ein freundlicherer Ort."
Irgendwie traurig, dass diese Fantasie mit ihrer imaginierten Tonspur gleich alle Poesie verliert, wenn man sie auf Deutschland überträgt.
Mehr zum Thema