Aus den Feuilletons

Deutsch-deutscher Integrationstest

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Die Schauspieler Devid Striesow und Tilman Döbler stehen nebeneinander auf einer Kommode.
Vater Zitterbacke (Devid Striesow) mit Sohn Alfons (Tilman Döbler) in einer Filmszene von "Alfons Zitterbacke" © © X Verleih AG / Edith Held
Von Gregor Sander · 14.04.2019
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Am neu in den Kinos angelaufenen Remake von "Alfons Zitterbacke" kann man den Grad der deutsch-deutschen Integration gut ablesen: Während die eine Hälfte der ab 40-Jährigen im Osten sich an ihre Kindheit erinnert fühlt, fragt die andere im Westen: Zitterwas?
"Bis auf meine Mutter sagen alle zu mir Alfons. In meiner bundesdeutschen Firma bin ich Dr. Helmut Roßmann, für meine ostdeutschen Kollegen bin ich Alfons", ist in der Tageszeitung DIE WELT zu lesen. Und Alfons ist natürlich: Alfons Zitterbacke. Im Osten der Republik werden sich jetzt die meisten wohlig an den DDR-Film über den tollpatschigen Pionier erinnern, der es immer gut meinte, aber fast nie gut machte. Im Westen werden die meisten fragen: Zitterwas?
"Man muss den Osten immer noch erklären", sagt Helmut Rossmann alias Alfons Zitterbacke und: "Wir sind beigetreten, es war keine Vereinigung. Der Westen hatte gar keine Gründe, sich mit dem Osten zu beschäftigen."

Für Millionen Deutsche ist Zitterbacke eine Marke

Im gerade angelaufenen Kino-Remake durfte er einen Wurstverkäufer spielen. Der neue Zitterbacke ist natürlich kein Pionier mehr, dafür hochbegabt, aber immer noch ordentlich verpeilt. Und es gibt auch ein paar Reminiszenzen an die 54 Jahre alte Vorlage. Für den alten Zitterbacke klares Kalkül: "Ohne die Referenzen an den alten Alfons wäre der Film finanziell sicher riskanter. Für Millionen Deutsche ist Zitterbacke eine Marke. Heute muss sich alles rechnen, der Film muss sein Geld einspielen, in der Zielgruppe."
Und ob er das in Ost und West tun wird, bleibt abzuwarten. In der TAZ fragt an anderer Stelle die syrische Künstlerin Kefah Ali Deeb dazwischen: "Sind wirklich alle Deutschen integriert? Was bedeutet Integration eigentlich?" Wenn man an Zitterbacke und ähnliche deutschdeutsche Thema denkt, kann man da sicher seine Zweifel haben.

Heimweh der Daheimgebliebenen

Dass es im Bürgerkriegsland Syrien ganz andere Probleme gibt, erzählt Mona Sarkis in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Die Heimat vermissen dort inzwischen auch die Daheimgebliebenen: "Überdeutlich wird dies auf Facebook, wo Aberdutzende Seiten nichts anderes als syrische Ortsansichten posten, versehen mit Sprüchen wie: ‚Der Duft Aleppos – der Wind des Lebens. Komm zurück, Aleppo. Dann kommt auch das Leben zurück.‘"
Und dann zitiert die Reporterin Gegner des Assad-Regimes. Aber eben auch Befürworter, wie die Christin Therese, die über ihre Heimatstadt sagt: "‘Damaskus war einmal 'rein'. Weil es eine so tolerante, stolze Stadt war.‘ Therese unterstreicht jede Silbe. Und setzt dann müde nach: ‚Kürzlich sagte ich zu meinem Mann, dass ich Heimweh habe. Mitten in meinem eigenen Haus.‘"

Zustand nach Claas Relotius

Es sind Zitate wie diese, die auch die hochgelobten Reportagen des SPIEGEL-Reporters Claas Relotius geschmückt haben. Bis sich die dann als gefälscht herausstellten. Aber wie will man so etwas verhindern, wenn ein Reporter oder eine Reporterin allein etwa in Syrien unterwegs ist?
Das jährliche Hamburger Reporter-Forum beim SPIEGEL, an dem etwa 200 Journalisten teilnahmen, versuchte am Wochenende darauf Antworten zu finden. Elena Witzeck von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG klingt eher enttäuscht: "Am Ende kommt die Frage nach gemeinsamen ethischen Standards der journalistischen Arbeit doch zu kurz. Ist es erlaubt, einen Aspekt aus dem Leben eines Menschen auszuwählen und größer zu machen, als er womöglich ist?, fragen sich die Jüngeren unter den Reportern. Eine klare Antwort bekommen sie nicht."
Barbara Nolte zitiert im Berliner TAGESSPIEGEL schon Handfesteres: "Cordt Schnibben, Gründer des Reporter-Forums, hält ein lockereres Regelwerk für ausreichend. Für journalistische Qualität sei eine gründliche Recherche entscheidend. Sinnvoll sei außerdem, mitunter in Teams zu arbeiten und Reportern die Freiheit zu geben, sich nach der Recherche gegen eine Reportage und für einen Report oder ein anderes journalistisches Format entscheiden zu können."
Auch Friedrich Küppersbusch war laut FAZ auf dem Reporter-Forum. So erklärt sich vielleicht seine Antwort in der TAZ auf die Frage, wozu man eigentlich das Foto eines Schwarzen Loches im Weltall brauche? Darauf Küppersbusch: "Fürs Spiegel-Titelbild. Die nehmen neuerdings nur nachgewiesene Fakten."
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