Aus den Feuilletons

Der Koran und der Sex

Frauen mit Kopftüchern auf einer Demo von Islamisten in Frankfurt am 20.04.2011.
Die untergeordnete Rolle der Frau sei in muslimischen Gesellschaften rechtlich sanktioniert, steht in der FAZ © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Von Adelheid Wedel · 17.01.2016
Legitimiert der Islam sexuelle Belästigungen gegen Frauen? Die Tageszeitungen befassen sich mit dieser Frage und betonen, dass es etwa in Ägypten erschreckend viele Übergriffe gibt, aber auch ebenso viel männliches Engagement dagegen.
Der Grapscher in meinem Haus, die doppeldeutige Überschrift in der Tageszeitung TAZ macht aufmerksam. Die Autorin Elisabeth Lehmann, ihr Partner ist ein "Nordafrikaner" – der Begriff steht dort in Anführungszeichen –, kennt sich mit sexualisierter Gewalt von Männern aus. Als Paar lebten sie einige Zeit in Ägypten, und es sind vor allem ihre Erfahrungen dort, die sie sagen lassen: Taharrush, die arabische Bezeichnung für sexuelle Übergriffe, ist Volkssport.
Das ist, wie die Autorin schreibt, ekelhaft, erniedrigend, die fieseste Waffe, die man gegen eine Frau einsetzen kann, weil man als Frau kaum eine Möglichkeit hat, ihr auszuweichen. Gleichzeitig berichtet sie von männlichen Muslimen, die genauso angewidert und empört auf ihre primatenhaften Mitmenschen reagieren wie die Autorin.
In Ägypten gibt es beide: die Grapscher und die Ritter
Sie weiß: In wenigen Ländern dieser Welt wird so massiv gegen sexuelle Belästigung von Frauen vorgegangen wie in Ägypten. Die Männerwelt dort spaltet sich in Grapscher und Ritter. Beide sind in ihrer Ausprägung extrem: Die einen haben Spaß daran, Frauen zu demütigen, die anderen organisieren Selbstverteidigungskurse, Notfall-Hotlines, manchmal sogar Bodyguards.
Wie viel Islam steckt im sexuellen Übergriff? Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellt die Frage nach möglichen kulturellen oder religiösen Hintergründen für die Ereignisse in Köln und bittet die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter um Auskunft. In den achtziger Jahren seien diese Übergriffe zum ersten Mal aufgetaucht. Sie sieht die Ursache dafür in der damals stark einsetzenden Emanzipation arabischer Frauen.
Die Grundvoraussetzung aber, und das sagt sie sehr deutlich, liegt in einer patriarchalen Ideologie der Gesellschaft. In der Idee, dass es reine und unreine Frauen gibt. Die reinen Frauen sind die, die ihrem Mann gehorchen, keinen Sex vor der Ehe haben, ihren Körper bedecken.
Die unreinen Frauen sind die, die ihren eigenen Willen haben. Das sei vorherrschende Ideologie in muslimischen Ländern, der Koran aber - und es ist wert, das festzuhalten - gibt keine Legitimation, Frauen zu belästigen. Wenngleich er dazu beitrage, dass Sexualität außerhalb der Ehe stark tabuisiert ist. Dazu kommt, dass die Rechtsordnung in den muslimischen Ländern gerade im Ehe- und Familienrecht stark von der Scharia geprägt ist.
Die Gehorsamkeitspflicht der Frau
Die Islamwissenschaftlerin informiert: Die untergeordnete Rolle der Frau ist rechtlich sanktioniert, d.h. die Frau hat eine Gehorsamkeitspflicht. Erbrecht, Vormundschaft für Kinder, Scheidungsrecht, Polygamie: In all diesen Punkten sind Frauen deutlich benachteiligt. Zu beklagen sei, dass sich eine historisch-kritische Lesart des Korans bisher nicht durchgesetzt hat. Die islamischen Theologen, die den Koran in Deutschland neu deuten, sind in den islamischen Gemeinden nicht anerkannt.
Eine Chance sieht die Professorin für Ethnologie dennoch: Der islamische Religionsunterricht wäre ihrer Meinung nach ein Instrument zur Verbreitung einer liberaleren Korandeutung.
Künstler auf der Flucht
Wie kommt die Masse und jeder einzelne Flüchtling im fremden Land, zum Beispiel in Deutschland, zurecht? Was würde ich mir wünschen, wenn ich in einer solchen Situation wäre?, fragt die Berliner Galeristin Pia Rubröder-Riedel in der TAZ und entschied, Künstlern, die fliehen mussten, eine Ausstellung in ihrer Galerie zu geben.
Am Samstag wird die erste dieser Art im "Bunten Hund" eröffnet. Sie zeigt unter dem Titel "Under Fire" Bilder des syrischen Fotografen Hayyan Al Youssouf aus seiner Heimatstadt Deir Ezzor. Die Fotografien stammen aus den Jahren 2013/14 und thematisieren den Bürgerkrieg. Youssef baute in jener Zeit ein Medienzentrum auf und dokumentierte als Fotojournalist für oppositionelle lokale Kräfte das Geschehen in seiner Heimatstadt.
Wenn Youssef mittlerweile in Berlin unterwegs ist, hält er Plätze und Landschaften fest. Er liebt das Wasser, sagt er, am Euphrat und am Wannsee. Ich suche Orte, die mich an zu Hause erinnern. So entstehen seine Sehnsuchtsfotos.
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