Debatte nach Gewalttaten in Köln

Wir müssen streiten, nicht spalten

Anhänger der islamkritischen Bewegung Bagida (Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes) in München halten ein Plakat mit der Aufschrift "Köln ist überall" in den Händen. Bagida ist ein regionaler Ableger der islamkritischen Pegida-Bewegung
In München versuchen Anhänger des bayerischen Pegida-Ablegers Bagida die Silvesterübergriffe zu instrumentalisieren. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Von Olaf Sundermeyer · 12.01.2016
Wie sollen wir damit umgehen, dass rechte Positionen gesellschaftlich akzeptiert werden, obwohl wir sie nicht teilen? Der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer rät zu einer harten und ehrlichen Diskussion.
Wer dieser Tage nicht nur in eigenen wohlmeinenden Kreisen verkehrt, ahnt die aufziehende gesellschaftliche Spaltung in Deutschland. Zwischen denjenigen, die weiterhin in einer weltoffenen Einwanderungsgesellschaft leben wollen. Und denen, die das nicht mehr wollen und wütend sind, weil sie sich bevormundet fühlen.
Von der Politik, den Medien, von den Meinungseliten, die mehrheitlich der modernen Berliner Republik das Wort reden. Gegen die sich wiederum immer mehr Menschen vereinen - in einem Gefühl des Widerstands. Weil sie von Ängsten getrieben sind, vor Überfremdung, und davor, ihren sozialen Status und ihre kulturelle Identität zu verlieren.
Zwar sind sie längst nicht "das Volk", wie sie vielfach behaupten, die besorgten Bürger, Staatsskeptiker und AfD-Sympathisanten. Sie sind nur eine Minderheit. Aber sie waren genug, um einen Rechtsruck zu erzwingen - eine Zäsur. Und nun droht eine gesellschaftliche Spaltung, die von den Meinungsmachern völlig unterschätzt wird.
Rechtsrücker sollen nicht ausgegrenzt werden
Weil sie dem Irrglauben erliegen, das Problem so zu erledigen, grenzen sie die Rechtsrücker kategorisch aus. Auf diese Weise aber vergrößern sie das Problem, zumal es hier nicht um eine einflusslose Gruppe von Neonazis am Rand der Gesellschaft geht - sondern um Menschen aus unserer Mitte, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, um den sozialen Frieden zu wahren. Auch wenn es schwerfällt.
Am Arbeitsplatz, in der Kneipe, am Küchentisch. Ja, wir müssen das jetzt aushalten, wir müssen weiter mit den wütenden Zweiflern reden, mit ihnen streiten. Es sind unsere Arbeitskollegen, Nachbarn, Familienmitglieder, die wir nicht verlieren dürfen. Ganz gleich ob sie Frau Merkel für deren Flüchtlingspolitik verdammen, oder ob sie einen Kölner Sex-Mob aufs Schafott wünschen.
Denn wer sie aus dem Diskurs verbannt, ihnen den kritischen Dialog verweigert, treibt sie den Populisten und Extremisten weiter zu. Zugleich treibt er die Spaltung voran. Was danach käme, zeigen uns Polen, Ungarn oder Frankreich, wo Nationalisten in zerrissenen Gesellschaften die Freiheit einschränken.
Innerhalb Deutschlands hat sich Sachsen bereits entzweit. Ein Teil hat sich abgekoppelt in eine Welt aus Fremdendfeindlichkeit und Verschwörungstheorien. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, eine Mitschuld trifft Landesvater Tillich. Statt sich frühzeitig den Pegida-Spaziergängern zu stellen, ist er abgetaucht, hat zugesehen, wie diese das Klima in seinem Land vergiftet haben.
Um eine deutschlandweite Spaltung zu verhindern, müssen wir vernünftig streiten, besonnen und mit Blick auf die Fakten. Über Flüchtlinge und Integration, über Kriminalität und Parallelgesellschaften, über Europa, Russland und die USA. Es darf keine Tabus mehr geben, die einige in Politik und Medien selbstherrlich verordnen. Auch deshalb fühlen sich viele bevormundet und wenden sich von den etablierten Medien ab. Und einer Gegenöffentlichkeit zu, die sich ohne ethische Regeln im Netz verbreitet, und die auf Spaltung zielt.
"Dumpfbacken" und "Pack"?
Um die Spaltung abzuwenden müssen wir den Rechtsrückern klare Grenzen aufzeigen - ohne sie dabei auszugrenzen. Wer wie Schäuble AfD-Mitglieder als "Dumpfbacken" oder wie Gabriel Flüchtlingsfeinde als "Pack" beschimpft, beschert den Rechtsrückern Zulauf.
Das tun auch jene Politiker, die sich in Wahlkampfzeiten der Konfrontation mit der rechtspopulistischen AfD verweigern, gefallen sich deren Wähler schließlich in der Opferrolle. Politiker sollten stattdessen Argumente der Populisten widerlegen, im ständigen Gespräch mit ihren Wählern, vor deren Wut sie nicht weichen dürfen. Sie müssen den Menschen ihre Angst nehmen.
Auch Medien dürfen der Wut der Rechtsrücker nicht weichen und deshalb Themen tabuisieren. Damit ein Gefühl der Bevormundung erst gar nicht entsteht.
Olaf Sundermeyer arbeitet als Buchautor und Journalist für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Seit Herbst 2014 beobachtet er "Gida"-Demonstrationen in ganz Deutschland und verfolgt den Werdegang der AfD. Seit zehn Jahren führt er Interviews mit Rechtsextremisten und Rechtspopulisten überall in Europa. Er ist Co-Autor der ARD-Fernsehdokumentation "Dunkles Deutschland – Die Front der Fremdenfeinde" (Oktober 2015). Mehr zur Person:www.olaf-sundermeyer.com
Der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer 
Der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
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