Aus den Feuilletons

Der gelassene Tenor

Ein Mann in grauem Anzug, blauer Fliege und Schnurbart steht vor einem schwarzen Hintergrund.
Der Tenor Ian Bostridge als Aschenbach in "Tod in Venedig" im London Coliseum © imago / United Archives International
Von Tobias Wenzel · 02.09.2016
Auf dem Musikfestival Schubertiade im österreichischen Bregenzerwald wurde der britische Opernsänger Ian Bostridge mit den Worten "Deutsch lernen" ausgebuht. Die "FAZ" spricht von einem "fremdenfeindlichen Eklat". Bostridge selbst sieht es anders.
Mit dem Begriff "feines Schweigen" hat Patrick Bahners in der FAZ vom Montag Kritik und Selbstkritik geübt. Ihm und allen anderen Besuchern eines Konzerts beim Musikfestival Schubertiade im Bregenzerwald habe es an Zivilcourage gemangelt, sie hätten bei einem fremdenfeindlichen Eklat viel zu lange geschwiegen.
Als der englische Tenor Ian Bostridge, begleitet vom Pianisten Julius Drake, Schuberts "Forelle" als Zugabe interpretierte, rief ein Mann aus dem Publikum "Deutsch lernen!" Nun äußert sich der Tenor zum ersten Mal selbst zum Vorfall, im Gespräch mit Lucas Wiegelmann von der .

Bostridge: "Wahrscheinlich war er ein bisschen verrückt"

Bostridge rekapituliert, wie er schließlich den Störenfried auf die Bühne geholt und ihn dort, den Buhrufen des Publikums ausgesetzt, allein gelassen hat.
"Später habe ich mich leicht schuldig gefühlt, der war wahrscheinlich einfach ein bisschen verrückt",
sagt Ian Bostridge. Aber als "nationalistisch oder rassistisch" habe er den Zwischenruf nicht empfunden. Einige Besucher seien eben sehr streng mit Künstlern.
Auch die Reaktion der anderen Konzertbesucher bewertet der britische Tenor ganz anders als Patrick Bahners.
"Welche Reaktion hätten Sie sich von den Zuschauern gewünscht?",
fragt Lucas Wiegelmann.
"Eigentlich ziemlich genau die, die sie gezeigt haben. Wir waren einfach alle erst mal fassungslos."
Erst habe er zwar den einsetzenden Applaus als Zustimmung für den Störer fehlinterpretiert.
"Aber dann war sofort klar, dass sie mich unterschützen wollten."

Dem "Spiegel" die Distanzierungsnachricht zugesteckt

"Am Schluss brauchte man nur noch einen Anlass, um Erdogans Willen zu erfüllen",
rekonstruiert Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, wie es zur Pressekonferenz des Regierungssprechers Steffen Seibert kam.
"[…] der Anlass für die geforderte Distanzierung von der Armenien-Resolution konnte ja unmöglich sein, dass Erdogan eine Distanzierung fordert. Also steckte man dem 'Spiegel' die Nachricht zu, die Bundesregierung wolle sich von der Armenien-Resolution des Bundestags distanzieren."
Der "Spiegel" hat das veröffentlicht und dem Regierungssprecher damit den ersehnten Anlass geliefert. Seibert hat nun zugleich die Distanzierung der Bundesregierung von der Armenien-Resolution dementiert und (mit Blick auf Erdogan) ausgesprochen. In den Worten von Christian Geyer:
"Die Armenien-Resolution sei politisch zu verstehen und habe keinerlei rechtliche Bindung. Nur diesen einen Satz galt es loszuwerden, und Seibert war ihn losgeworden. Der Job war getan."
Der in einer "Sprachwolke" versteckte Hinweis auf die juristische Folgenlosigkeit sei zwar einerseits "selbstverständlich", andererseits aber ein "Kotau" vor Erdogan, analysiert Geyer:
"Das war in der gegebenen Situation eine Frechheit gegenüber dem Bundestag und gegenüber den Opfern des Völkermords, deren das Parlament mit seiner Resolution gedachte, eine Taktlosigkeit."

50 Jahre Stark Trek - "Was für eine Naivität"

Eine Pilotfolge zu "Star Trek" beziehungsweise "Raumschiff Enterprise" habe das Testpublikum 1965 "nachhaltig verstört": Ein...
"'... teuflisch' aussehender Außerirdischer mit spitzen Ohren und Augenbrauen namens Mr. Spock"
habe die Testseher verwirrt, schreibt Jens Mayer in der TAZ zum 50. Geburtstag der Science-Fiction-Serie in der nächsten Woche. Die Serie wäre nach dem Misserfolg fast begraben worden. Denn die Idee zur Serie darf einem durchaus idiotisch vorkommen.
"Was für eine Naivität",
gibt Kathleen Hildebrand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG den Anwalt des Teufels.
"Eine Zivilisation steckt ihre besten Leute in enge Schlafanzüge, schickt sie weit hinaus ins All, in Regionen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Und was sollen sie dort? Sternennebel untersuchen, Zwergplaneten und Risse im Raum-Zeit-Kontinuum. Vor allem aber: Außerirdische kennenlernen und sich mit ihnen anfreunden. Ernsthaft?
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