Aus den Feuilletons

Das Frauenbild des Frank Castorf

Theaterregisseur Frank Castorf
Theaterregisseur Frank Castorf hat Respekt vor der "Kraft" seiner Schauspielerinnen. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Adelheid Wedel · 28.06.2018
In der "NZZ" sorgt man sich um den Intellektuellen und weiß außerdem ganz genau, wovor wir uns heute so fürchten. Die "taz" führt ganz furchtlos ein Interview mit einer "feministischen Spaßverderberin". Und dann ist da noch Frank Castorf.
Die Überschrift in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG "Die freien Geister danken ab, die Besserwisser übernehmen" macht neugierig. Christian Marty ergänzt mit der Überlegung, warum die "Intellektuellen von heute keine Rebellen mehr sind, sondern nur noch Besserwisser". Der Autor macht deutlich, dass "je nach historischer Lage ein anderer Intellektuellentypus die geistige Situation prägt" und meint: "In neuerer Zeit sieht man den Intellektuellen als moralische Figur, … die genau zwischen Gut und Böse zu unterscheiden weiß."
Doch das war nicht immer so. Um 1900 erachtete man den Intellektuellen als "unabhängige Gestalt, als Person, die gegen jedwede Lehre zu kämpfen versucht. Beide Intellektuellentypen finden sich in der gegenwärtigen Medienlandschaft", schreibt der Autor. Das hat zur Folge: "Der intellektuelle Diskurs wird beherrscht von jenen, die sich für die vermeintlich gute Sache einsetzen – und die, welche der vermeintlich falschen Sache dienen, werden vom hohen Ross her mit verächtlichen Etikettierungen versehen." Im Ergebnis dessen entsteht "eine überaus gehässige Diskussions-"Kultur", welche durch Empörungen, durch Anschuldigungen und durch Streitereien geprägt ist".

Vom Betrug mit der Illusion einer heilen Welt

Den intellektuellen Diskurs setzt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG mit einer weiteren Zeitungsseite fort mit der Überschrift: "Wir fürchten uns vor dem Anderssein." Hans Ulrich Gumprecht, Professor für Literatur an der Stanford University, entwickelt hier seine Gedanken, "warum wir das Bild einer heilen Welt kultivieren – und so uns selbst sowie unsere Mitmenschen betrügen". In Kürze lässt sich der vielschichtige Inhalt dieser Seite kaum wiedergeben, deswegen hier nur die Leseempfehlung.
Und dann doch ein zusammenfassender Satz: "Zwar hat die moderne Medizin zahlreiche sozial bedrohliche Krankheiten eliminiert oder unter Kontrolle gebracht, doch fehlen uns – mehr denn je vielleicht – Formen, um in der realen Präsenz dessen leben zu können, was uns heute als bedrohliches Anderssein beunruhigt: in der realen Präsenz von Armut, von Krankheiten ohne verfügbare Therapie – und in der realen Präsenz des Todes als physisches Ereignis."

Über den Feminismus nachdenken

In der Tageszeitung TAZ regt ein ausführliches Interview mit der britisch-australischen Wissenschaftlerin Sara Ahmed dazu an, über den Begriff Feminismus nachzudenken. Sie hat unter dem Titel "Feministisch leben" ein "liebevoll-kämpferisches Manifest" geschrieben, das sich gegen die Auffassung von den "Feministinnen als Spaßbremsen" wendet. Die 1969 im englischen Salford geborene Sara Ahmed hat mit dieser Arbeit ihr inzwischen achtes Buch vorgelegt, das erste, das auch auf Deutsch erscheint.
Sie antwortet auf Fragen von Katrin Gottschalk: "Die feministische Spaßverderberin wurde als anti-feministisches Stereotyp entwickelt, das unterstellt, Feministinnen seien unglücklich und ihre Intention sei es vor allem, das Glücklichsein anderer zu zerstören. Leute benutzen das Wort abwertend… Ich sage: Okay, wenn das Infragestellen von Sexismus und Rassismus in der Welt, das Heraus-fordern von Normen und Machtverhältnissen dir den Spaß verdirbt, dann bin ich bereit, dir den Spaß zu verderben." Soweit Sara Ahmed in der TAZ.

Castorf über nackte und kreischende Frauen

Wenn es um Frauenpower geht, kann der ehemalige Volksbühnen-Intendant Frank Castorf mitreden. Das macht er im Interview in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Der "seit letztem Jahr viel beschäftigte freie Regisseur" inszeniert derzeit am Münchner Residenztheater. Dort hat an diesem Freitag Molieres "Don Juan" à la Castorf Premiere. Christine Dössel spricht ihn darauf an, dass es beim Theatertreffen Diskussionen um "sein sexistisches Frauenbild gab, um all die nackten, hysterisch kreischenden Schauspielerinnen" in seinen Inszenierungen.
Was mache ich denn? kontert Castorf: "Die Frauen, die bei mir spielen, kriegen aus allen möglichen Refugien Texte, die haben nicht nur ihren Gretchen- oder Lieschen-Text. Die haben riesige intellektuelle Interpretationsmöglichkeiten." Voller Respekt, ja Bewunderung fährt er fort: "Meinen Sie, einer emanzipierten Frau wie Sophie Rois muss ein Mann aus dem Feuilleton sagen, dass sie unterdrückt wird von mir? Oder einer Kathi Angerer? Das sind absolut selbständige Frauen, die haben eine Kraft, da fällst du hinten runter."
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