Aus den Feuilletons

Computerspiele sind auch Kultur

04:22 Minuten
Ein kleiner Junge spielt Fortnite am Computer.
Ein Junge bei kultureller Weiterbildung: Die Computerspiel-Industrie erhält erstmals Fördergelder der Bundesregierung. © imago/Ritzau Scanpix
Von Ulrike Timm · 01.07.2019
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Computerspiele sind Kultur, das haben wir schon immer geahnt. Jetzt ist diese Erkenntnis auch von offizieller Seite anerkannt: Die Computerspiel-Industrie erhält erstmals Fördergelder der Bundesregierung. Und ist auf den Geschmack gekommen.
Die Neue Zürcher Zeitung kühlt uns ab. Dachten wir. Denn Sarah Pines formuliert über eine komplette Seite eine Ode an den Swimming-Pool. Kostprobe:
"Pools sind in den eigenen Gärten gegrabene, flirrende Poesie. Pools, das sind Fliegen, die im Sommer auf dem Wasser treiben und an baumelnden Beinen hängen bleiben. An erleuchteten Pools hat man nachts wichtige und verbotene Gespräche. Tags ist man, auf dem Wasser liegend, Himmel und Wasser zugleich, eine schwerelose Amphibie. Die Geräusche der Welt klingen weich, als würde ein Orchester in Krabbenkostümen gerade da unten auf dem Beckenboden Musik machen."
Upps, spätestens hier hätten wir der Autorin doch einen abkühlenden Sprung ins Nass gewünscht. Auch wenn sie später noch relativ nüchtern eine kleine Kulturgeschichte des Swimmingpools liefert und natürlich völlig zu Recht konstatiert: "Literatur und Film sind voll von Menschen, die an oder in Pools sterben, Sex oder Existenzkrisen haben."
Ok, manchmal ist es vielleicht doch besser, keinen zu haben. Platsch also. Und Ortswechsel.

Der schnellste Klingelton der Welt

BMW hat dem Filmkomponisten Hans Zimmer den Auftrag erteilt, ein "Kabinengeräusch zu erzeugen", lesen wir in der Frankfurter Allgemeinen. "Als Sonderausstattung. 'BMW Iconic Sounds Electric' heißt die Komposition und klingt… wie ein auf hundertachtzig Sachen beschleunigter Klingelton."
Und wozu das? Der Sinn des permanenten Kabinengeräusches sei es, die "Entfremdung zwischen Fahrer und Fahrzeug" zu mindern, die entstehen könne, wenn es im Auto einfach mal ruhig ist. Ein "gefühlsverstärkendes Begleitgeräusch" sei da eben von Nöten. Bevor sich jemand aufregt à la "für sowas haben sie Geld" - der Schöpfer des Kabinensounds habe schon viel "schlimmere Sachen als künstliche Motorengeräusche komponiert", meint die FAZ, etwa die Soundtracks zu Last Samurai, Tage des Donners, Tränen der Sonne oder Kung Fu Panda 2.
Aha. Reden wir besser über Geld.

Immer Geld ist immer besser

Das tut die FAZ im Gespräch mit Felix Falk, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Computerspiel-Industrie, die jetzt erstmals Fördergelder der Bundesregierung erhält – und diese Geldquelle natürlich sofort institutionalisieren will. Klar, immer Geld ist besser als einmal Geld.
Weshalb Lobbyist Falk auf Teufel komm raus das "kulturwirtschaftliche Gut" Computerspiel preist, Computerspiele gar zum "wichtigsten Leitmedium des 21. Jahrhunderts" erklärt. Ohne irgendeine Rückfrage von Seiten der FAZ übrigens. Ein Hitze-Interview?
Vielleicht hätte so ein kleines Mordillo-Männchen oder Weibchen sie alle mal sacht und freundlich angestubst, die Swimmingpool-Schwärmerin, den Kabinensoundkomponisten und den Computerspiel-Leitmedienmann…

Fussbälle mit Beinen auf der Schultasche

Die Nachrufe auf den großen Zeichner sind zumindest Leitmotiv der heutigen Feuilletons. "Der Mensch als Knolle" titelt die WELT mit Blick auf Mordillos stets runde Figuren, ganz egal, ob es sich um "Menschen, Kühe oder Gitarren handelte – immer sahen sie aus wie Fußbälle mit Beinen".
Und Mordillos Giraffen schmückten, nachgezeichnet, in den 70ern Federmäppchen und Schultaschen, auch die von Martin Zips, Autor und Mordillo-Nachrufer der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Seine Zeichnungen funktionierten wie der menschliche Körper, erklärte Mordillo einmal. Alles ist abgerundet: Kopf, Finger, Zehen. Denn Rundes sieht einfach besser aus. Speziell bei Frauen."
"Er habe eine Technik entwickelt, sagte er, die verhülle, dass er eigentlich nicht zeichnen könne." Das steht in der FAZ über den "Homo knollensis", und weiter: "Dem Bild ging langes Nachdenken voraus, oft auf dem Sofa, auf dem er dann einnickte und mit einem witzigen Gedanken wieder aufwachte. Die Ideen wurden aufgeschrieben und numeriert.'Ich wollte ein Geschöpf erfinden, das geliebt werden würde; das war alles.'"
Der TAGESSPIEGEL lässt Mordillo, der jetzt 86-jährig verstorben ist, ohne Worte von seinem Kollegen Marvin Clifford würdigen. Der zeichnet Mordillo liebevoll als Zauberer, der sich aufs Anmutigste davon macht.
Ciao.
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