Aus den Feuilletons

Bei den Briten ein Kandidatengedrängel wie bei "Ben-Hur"

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Szenenfoto aus dem Film "Ben-Hur" von William Wyler, 1959, Frank Thring, Charlton Heston, 1959. Das Foto zeigt eine Siegerehrung.
Wer gewinnt den Siegeskranz und beerbt möglicherweise Theresa May als Premierministerin? Die Kandidaten seien so zahlreich wie die Darstellerriege in "Ben-Hur", meint die "FAZ". © Courtesy Everett Collection/picture alliance/dpa
Von Klaus Pokatzky · 29.03.2019
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Der Stuhl der britischen Premierministerin Theresa May wackelt. Ein Nachfolger wird wohl schnell gefunden sein, mutmaßt etwa die "FAZ" - denn die Zahl der Kandidaten, die May gerne beerben würden, erreiche die Darstellerzahl eines Monumentalfilms.
"Der Brexit zerklüftet die Nation dahingehend, dass Mediziner sogar brexitverwandte Angstzustände diagnostiziert haben", lesen wir sorgenvoll in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über unsere britischen Freunde. "Patienten klagen über schlaflose Nächte und andere Malaisen", schreibt Gina Thomas, die langjährige London-Korrespondentin, die offenbar auch nicht so recht weiß, ob sie weinen oder nur noch lachen soll angesichts dieses Politdramas – oder ist es doch eher eine Komödie? "Für die Nachfolge Theresa Mays an der Spitze der Konservativen warten bereits so viele Kandidaten in den Startlöchern, dass gewitzelt wird, die anstehende Wahl werde mit ihrer Riesenbesetzung dem Monumentalfilm ‚Ben Hur‘ gleichen."
Schade, dass unser guter alter William S. nicht mehr lebt – der hätte daraus was gemacht: wahrscheinlich eine Mischung aus Tragödie und Komödie.

"Unteilbar" - eine Demo wie keine andere

"Ich staune und frage mich nur, was da um uns und mit uns passiert", sagt ein zeitgemäßer Literat im Interview mit der Tageszeitung DIE WELT. "Es gibt ein paar Werte, die für uns alle gelten, gelten müssen, wenn wir gemeinsam überleben wollen", bekennt Durs Grünbein und erzählt mit offenbar leuchtenden Augen, wie er im letzten Herbst in Berlin an der antirassistischen Demonstration unter dem Motto "Unteilbar" mitmachte. "Eine Demonstration wie keine andere. Eine Durchsage an das unbekannte Establishment. Nehmt uns endlich wahr! Ich habe die Sehnsucht Abertausender Menschen gesehen: nach Vernunft und Wahrheit und danach, Helligkeit ins Bewusstsein zu bringen, während in Europa die Frustration um sich greift."
Demonstriert hat damals fast eine Viertelmillion Menschen; wenn Sie davon in den Medien nicht so viel mitbekommen haben, wundern Sie sich nicht: Es waren schließlich nicht ein Paartausend von Pegida.

Abschied von Agnès Varda

Von einer "Pionierin und Vollenderin" müssen wir Abschied nehmen. "Agnès Varda, die große französische Filmemacherin, die am 30. Mai 1928 in Belgien geboren wurde, wird fehlen", würdigt die FRANKFURTER ALLGEMEINE die nun verstorbene Regisseurin, "nicht nur bei Festivals und Demonstrationen für Frauenrechte und Künstlerinnen, sondern in der Welt überhaupt", schreibt Verena Lueken. "Die Feinabstimmung zwischen Ton-und Bildspur, die Balance zwischen Kommentar und Illustration, das Spiel mit visuellen Assoziationsketten wurden im Lauf der Zeit zu ihrer Signatur und verliehen ihrer Arbeit eine tiefe persönliche Färbung", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG – über die "alterslos wirkende Künstlerin, die die Leinwand während über sechzig Jahren mit ungebrochener Originalität immer neu zu bespielen wusste", wie Patrick Straumann in seinem Nachruf schreibt.

Happy Birthday, Volker Schlöndorff

Da ist es nicht ganz so leicht, den Übergang zu einem anderen Großen des Filmschaffens zu finden, der sich gottlob noch eines produktiven Lebens erfreuen darf: "Ein Zeitzeuge, dessen Blick auf Deutschland stets klar blieb", so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, "einer der wichtigen Vertreter des deutschen Nachkriegskinos". Der Regisseur Volker Schlöndorff wird am Sonntag achtzig Jahre alt. "1939 in Wiesbaden geboren, aber da hielt ihn nichts. Schon als Kind betrieb er – welche Kinder machen sowas? – seine Selbstverschickung in ein Jesuiteninternat in Vannes in Nordfrankreich. Das war vielleicht nicht immer schön und angenehm, aber wenigstens aufregender als Wiesbaden", schreibt Susan Vahabzadeh. "Seine Filme sind direkter politisch, als viele andere Vertreter des Neuen Deutschen Films es waren. Für politisch aufgehetzte Zeiten waren sie dennoch immer zu komplex."

Glückwunsch!
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