Aus den Feuilletons

Autoren sind verrückt nach New York

04:13 Minuten
Die Freiheitsstatue in New York
New York bietet sich einfach als Filmkulisse und Ort der Handlung von Geschichten an. Das sehen auch die meisten Autorinnen und Autoren so, glaubt man einer Auswertung der „OpenLilbrary“. © Kevin Kurek/dpa
Von Hans von Trotha · 10.08.2020
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Eine Auswertung der Online-Plattform "OpenLibrary" hat ergeben, dass Autorinnen und Autoren ihre Geschichten am liebsten in New York ansiedeln, gefolgt von London und Rom, berichtet die „FAZ“. Weit abgeschlagen: Bücher mit Berlin-Bezug.
"Die große Rückkehr" proklamiert die TAZ – leider nicht die zur Normalität, sondern die der Kinder in die Schulen. Die Pädagogin Sabine Andresen meint: "Ungewissheit und der Ruf nach Digitalisierung machen leicht vergessen: Das Wichtigste sind pädagogische Kompetenzen."
Klingt wohlfeil, wird aber immerhin durch den feuilletonistischen Trend des Tages untermauert: die Kulturtechnik der Auswertung, in diesem Fall von "zwei Befragungen mit insgesamt mehr als 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Alltag von Kindern, Jugendlichen und Familien seit dem Lockdown".
Ergebnis: Neben maroden sanitären Anlagen sind "der Stand der Technik in Schulen, digitale Kompetenzen der Lehrkräfte und Möglichkeiten eines guten Fernunterrichts gesellschaftlich relevante Themen" geworden.

Digitale Lösungen in der Coronakrise

Dazu passen Studien, die Victor Sattler für die FAZ auswertet. "In der Corona-Krise werden große Hoffnungen in digitale Lösungen gesetzt", hält er fest, fragt aber: "Zu Recht?"
"Mit Blick auf die psychischen Folgen des Lockdowns", heißt es da, "gibt es in den Vereinigten Staaten, die einer Schätzung der Harvard-Universität gemäß noch bis 2022 auf social distancing angewiesen sein werden, bereits jetzt eine Reihe von Studien. Allerdings" – Und ist das nicht am Ende das Schicksal der meisten Auswertungen? – "allerdings sind die Befunde sehr gemischt. Während einige Studien vom großen Verdienst des Digitalen berichten, weisen andere auf die Grenzen der Technik hin".
"Möglicherweise", das lässt sich wohl immerhin festhalten, "fällt es nicht allen Menschen gleich leicht, sich auf eine neue Ära einzustellen und ihre körperlichen Bedürfnisse ins Internet zu tragen. Forscher der Universität von Arizona haben in einer Studie mit knapp fünfhundert Zwillingspaaren Anhaltspunkte dafür gefunden, dass zumindest bei Frauen die Neigung zu zärtlichem Körperkontakt nicht bloß sozial erlernt wurde. Ihr ‚Haut-Hunger‘, könne zu einem Teil auch durch Vererbung erklärt werden. Die Ergebnisse bei den männlichen Zwillingen erlaubten eine solche Schlussfolgerung nicht." Dazu gibt es laut Victor Sattler erstmal "keine Auswertung".

"Drug-Porn, der neueste Kink aus dem Trailerpark"

Für die Kultur wertet Stephan Berg vom Kunstmuseum Bonn aus, was ihm selbst im Lockdown widerfahren ist. Am Anfang stand "die Einsicht, dass es ohne digitale Formate für das Publikum eben einfach nur ein geschlossenes Gebäude zu sehen gäbe. So langsam", schreibt Berg, "gewöhnen wir uns an die neue Corona-Normalität." Er befürchtet: "Für die Museen ist das eine schlechte Nachricht." Schließlich sieht er sein eigenes Museum derzeit als "eine Art Geisterhaus, in dem vereinzelte, maskenvermummte Besucher stumm vor Werken verharren, die ihrerseits nicht mehr wirklich zu ihnen sprechen."
Und dann führt direkt darunter in derselben WELT der Blogger Aiden auch noch vor, welcher Konkurrenz sich die Museen im digitalen Raum zu stellen haben. Sein Thema ist "Drug-Porn, der neueste Kink aus dem Trailerpark, eine kleine, schmutzige Nische in der verschlungenen Welt der digitalen Pornografie", in der "Menschen ihren Drogenkonsum als Fetisch zur Schau" stellen. Aidens Auswertung ergibt immerhin, dass die Filmchen sich als "aus pornografischer Sicht oft minderwertig" erweisen. Was den Museen allerdings auch nicht helfen wird.

Die meisten Autoren siedeln ihre Geschichten in den USA an

Das feuilletonistische Instrument der Auswertung stellt Tilman Spreckelsen in der FAZ übrigens prinzipiell in Frage, und zwar anhand traditioneller Listen zu einem traditionellen Feuilletongegenstand:
Spreckelsen kolportiert eine Auswertung, "die Mitarbeiter der Online-Plattform 'OpenLibrary' zu einigen Millionen Büchern vorgenommen haben. Demnach führt New York mit 8510 Einträgen die Liste der Städte an, in denen Autoren am liebsten ihre Geschichte ansiedeln, gefolgt von London (4725), Rom, Paris, Los Angeles, Washington und San Francisco. Glaubt man dieser Liste", so die FAZ-Auswertung dieser Auswertung, "dann haben die Vereinigten Staaten als Literaturland den Rest der Welt weit hinter sich gelassen."
"Methodische Zweifel" kommen dem Berichterstatter allerdings, weil "am Ende aus dem Millionenkonvolut nur 507 Titel mit Berlinbezug herauskommen. Dass allerdings", kontert Spreckelsen so verteidigungs- wie angriffslustig, "New York mit 174 Treffern auch auf der Liste der erfassten Horrorbücher ganz oben steht, gibt zu denken."
So geht Auswertung im Feuilleton.
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