Aus den Feuilletons

"Antisemitismus ist einfach irre nützlich"

Türkische Demonstranten treten auf eine israelische Flagge bei dem Protest gegen die israelischen Angriffe auf Gaza nach dem Freitagsgebet in der Fatih Moschee in Istanbul am 25. Juli 2014.
Türkische Demonstranten treten auf eine israelische Flagge bei dem Protest gegen die israelischen Angriffe auf Gaza nach dem Freitagsgebet in der Fatih Moschee in Istanbul am 25. Juli 2014. © picture alliance / dpa / Sedat Suna
Von Adelheid Wedel · 25.07.2014
Wer sind eigentlich die Kämpfer der Extremisten Miliz "Islamischer Staat" und wie sind sie zu stoppen, das fragt sich die "Berliner Zeitung". Die "FAZ" wiederum analysiert den Antisemitismus als politisches Instrument.
"IS-Kämpfer zerstören antike Stätten, schiitische Moscheen und Heiligengräber",
schreibt die BERLINER ZEITUNG. Wer sind diese IS-Kämpfer? Gudrun Krämer – sie leitet an der Freien Universität Berlin das Institut für Islamwissenschaft - erklärt:
"Die IS-Führer wollen eine Institution aus den Anfängen des muslimischen Reichs wiederbeleben, die für viele Sunniten das Sinnbild einer legitimen, religiös-fundierten Herrschaft darstellt. Ziel ist, die Gewaltherrschaft religiös zu legitimieren."
Anfang Juni begann die sunnitische Extremisten-Miliz "Islamistischer Staat im Irak und in Syrien“ ihren Vormarsch aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Bagdad. Inzwischen kontrolliert sie weite Teile von Nord- und Zentralirak, hat ein Kalifat ausgerufen und sich in "Islamischer Staat“ (IS) umbenannt.
"Die IS bekämpft nicht nur Mitglieder anderer Religionen, sondern auch islamischer Konfessionen",
erfahren wir aus der BERLINER ZEITUNG. Gudrun Krämer wird u.a. gefragt, wie der Westen diese Kämpfer stoppen könnte. Ihre Antwort:
"Jeder Konflikt muss in seinem Kontext betrachtet werden. Libanon oder Ägypten, die Palästinenser-Gebiete, Irak oder Syrien sind alle mehrheitlich muslimisch – aber die politischen Systeme und gesellschaftlichen Verhältnisse recht unterschiedlich. In dem einen Land müsste man vielleicht islamische Kräfte unterstützen, in dem anderen Land den Vormarsch einer Gruppe aufzuhalten versuchen. Ganz sicher aber muss man sich damit beschäftigen, welche Ziele bestimmte Gruppen mittelfristig verfolgen – und danach seine eigene Politik ausrichten."
Deutschland soll Waffenexporte überdenken
Krämer empfiehlt, dass Deutschland seine Waffenexporte überdenken sollte. "Wenn eine Regierung Waffen angeblich für den Grenzschutz haben will, diese in der Praxis aber gegen seine Bevölkerung einsetzt oder gar an radikale Islamisten weitergibt – dann darf eben nicht geliefert werden",
so die klare Ansage derIslamwissenschaftlerin.
Mit dem Antisemitismus setzt sich Nils Minkmar in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG auseinander, und das vor allem, weil …
"… der religiös verkleidete Wahnsinn nun auch die wütenden jungen Männer und Frauen Europas, auch in Deutschland umtreibt. Antisemitismus ist einfach irre nützlich",
schreibt Minkmar und:
"Man sollte nie vergessen, dass es sich hierbei auch um ein politisches Instrument handelt."
Minkmar zitiert Jean-Paul Sartre, der 1946 in seinen "Überlegungen zur Judenfrage“ unterstrich:
"… so nützlich sei diese Geisteshaltung in mehrfacher Hinsicht, dass der Antisemit den Juden erfinden müsste, wenn es ihn nicht schon gäbe."
Frustration auf eine Ursache reduziert
Der Antisemitismus reduziere die Komplexität aller Frustrationen auf eine Ursache und deren Bekämpfung und verlange nicht nach einer politischen oder sozialen Anstrengung.Minkmar fragt:
"Wie wäre, gäbe es Israel nicht, die Bilanz der Hamas in Gaza? Was hat der politische Islam in diesen von der Natur und den Talenten der Jugend ihrer Bevölkerung so reich beschenkten Ländern eigentlich erreicht in all den Jahren?"
Und Israel? Zitat Minkmar:
"Nach den Jahrzehnten des Terrorismus, der Bomben in Bussen, der Sprengstoffgürtel, der Raketen und Entführungen verhält sich die israelische Regierung paranoid, rücksichtslos und brutal – eben genau wie ein terrorisiertes und traumatisiertes Subjekt."
Die Tageszeitung TAZ stellt eine antirassistische Initiative in Dresden vor, eine Fußballfaninitiative, die sich auf die Fahnen schrieb, den Rassismus aus ihrem Stadion zu vertreiben. Die "Faninitiative 1953 international“ gründete sich nach rassistischen Kommentaren und Rufen aus dem Fußballpublikum; das wollten die Dynamofans nicht mehr hinnehmen. Sie nahmen sich vor, diese Geisteshaltung nicht mehr als Randerscheinung durchgehen zu lassen. Sie haben den Slogan entwickelt "Love Dynamo – Hate Racism“ oder laden Flüchtlingskinder als Einlaufkinder ein, diese"können einfach mal ein bisschen mittrainieren, damit diese vermeintliche Andersartigkeit aufgeweicht wird."
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