Aus den Feuilletons

Amerika als Lachnummer

Computertaste mit der Aufschrift "alternative facts".
"Alternative Fakten" - Werkzeug der Manipulation © imago
Von Adelheid Wedel · 22.12.2017
Laut T.C. Boyle im TAZ-Interview habe Trump die Menschen so verführt, dass sie gegen ihre eigenen Interessen gestimmt haben. Der Schriftsteller glaubt zwar nicht daran, dass Trump vier Jahre durchhält "aber sollte er doch, wird uns das umweltpolitisch mindestens hundert Jahre zurückwerfen."
"Mit diesem Buch aus dem 5. Jahrhundert vor Christus beginnt die Neugier auf die Welt", schreibt Denis Scheck in der LITERARISCHEN WELT, der Wochenend-Beilage der Tageszeitung DIE WELT. Indem er mit Herodots "Historien" beginnt, spannt er den Bogen seines literarischen Kanons weit.
Herodot habe seine Beobachtungen und Informationen "gesammelt und aufgezeichnet, damit nicht mit der Zeit verwischt und vergessen würde, was die Menschen getrieben, was Griechen und Barbaren Großes und Bewunderungswürdiges geleistet und weshalb sie miteinander Kriege geführt haben."

Herodot verstand auch was von Klatsch

So markiere das Werk Herodots "die Schnittstelle zwischen mündlicher und schriftlicher Überlieferung. Cicero nannte Herodot den 'Vater der Geschichte'", weiß der Autor und nennt seinerseits Herodot in einem kleinen Wortspiel "Vater der Geschichten", denn seine "Historien" seien prall voller Anekdoten, Märchen und Legenden. Dazu Scheck:
"Nie ließ Herodot eine Gelegenheit aus, uns mit saftigem Klatsch an die Kleinheit der Großen zu erinnern. Es ist der Sinn fürs Wunderbare und das Auge fürs sprechende Detail, die mit Herodot in die Literatur kommen." Und so passt dieser Rückgriff so recht in die Weihnachts-Wunder-Zeit, wie wir sie jedes Jahr erleben.
Wunder geschehen mit den Menschen, mit Orten, mit Begriffen. Für Letzteres gibt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ein Beispiel. Gustav Seibt schreibt über "die Liebe der Deutschen zu ihrer Heimat" und über die Fieberkurve dieses so oft missbrauchten Begriffs. Der Artikel ist Teil der Serie "Was ist Heimat", die von der Zeitung mit Fragen begleitet wird wie: "Jeder Mensch hat eine Heimat. Oder nicht? Oder auch zwei?" Die Serie will "Ver- und Entwurzelung in bewegten Zeiten" untersuchen.

Vielfältige Arten von Heimat

Seibt gibt eine Definition vor: "Heimat: Das sind die ersten Erfahrungen, der vertraute Raum, in dem man laufen und sprechen lernte, das sind die Nachbarn und Freunde, das leckere Essen und die gewohnten Feste, die Sicherheit des Daseins in der Elternwelt, das Paradies der Erinnerung, aus dem man angeblich nicht vertrieben werden kann. Heimat ist eine Landschaft. Dann aber ist Heimat der Ort, den man verlassen muss, um in der Welt etwas zu werden, der Ort von Abschied und vielleicht Heimkehr."
Mit wissenschaftlichen Untersuchungen zum Begriff Heimat geht es im Artikel weiter – und wir empfehlen als Ergänzung zur Lektüre die Ausstellung "Ich bin Mensch – Heimat", von der der TAGESSPIEGEL berichtet. Sie ist nach Schwerin und Stralsund jetzt bis zum 12. Januar in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin zu sehen.
Die Fotografin Manuela Koska "machte sich mit der Kamera auf den Weg und fotografierte Menschen in der Region. Das Spektrum der 76 Protagonisten aus 42 Ländern ist groß, sie stammen aus Marokko, Indien, Mocambique und Sri Lanka, sie leben in England oder eben in Schwerin. Heimat kann der Himmel sein oder die Hölle", heißt es im begleitenden Text.
Einer Weihnachtspredigt könnte der Satz entnommen sein, der in der TAZ einem Interview von Annabelle Seubert mit dem amerikanischen Schriftsteller T.C. Boyle vorangestellt ist: "Wir müssen an etwas glauben, weil da nichts ist."

Manipulierte working class

Ansonsten hält er es aktuell mit Fakten. Boyle, der in Santa Barbara lebt, mischt sich ein in die Politik, Präsident Trump nennt er "Kürbis" oder "Clown". Boyle analysiert: "Wir haben nicht mit der working class gerechnet, die von seiner Propaganda manipuliert wurde."
Trump habe demonstriert, wie es gelingt, "Menschen zu verführen, sodass sie gegen ihre eigenen Interessen stimmen. Er wird keine vier Jahre durchhalten, aber sollte er doch, wird uns das umweltpolitisch mindestens hundert Jahre zurückwerfen – und aus Amerika eine Lachnummer machen. Sie können sich glücklich schätzen", setzt Boyle fort, "in Deutschland viele Parteien zu haben. In Amerika gibt es zwei, und das Land scheint so polarisiert zu sein, dass wir alle acht Jahre zwischen ihnen wechseln. Wussten Sie eigentlich", fragt er, "dass Trump einen Tag nach seiner Wahl um Spendengelder geworben hat, damit er ein zweites Mal gewählt wird?"
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