Aus den Feuilletons

"Am besten wäre ein zutraulicher Imam"

Schüler einer privaten Ergänzungsschule des Instituts Buhara in Berlin, das islamische Theologen ausbildet, sitzen in einem Klassenraum vor einem Bücherregal.
Schüler des Berliner Instituts Buhara, das islamische Theologen ausbildet und zur Toleranz und kulturellen Vielfalt erziehen will. © dpa / picture alliance / Stephanie Pilick
Von Ulrike Timm · 15.01.2016
Die "taz" fordert sexuelle Aufklärung für Araber in Deutschland, auf dass Frauenrechte endlich allgemein respektiert werden. Ein Geistlicher solle ihnen erklären: "Wer mit einer Frau schlafen will, sollte nicht Gott fragen, sondern die Frau."
"Es gibt so einen T-Shirt Aufdruck: ‚Denken hilft'. Das gilt auch für die Täter, auch wenn sie sich dagegen wehren und vielleicht Gott dazwischenschieben. Oder das, was sie für Gott halten. Also muss man von vorne anfangen, denn bei den meisten Arabern hat eine sexuelle Aufklärung nie stattgefunden".
Rumms. Die TAZ geht beherzt in die Vollen, wenn sie unter der Überschrift "Dem Kulturschock offensiv begegnen" als Nachlese der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht von Köln so pointiert wie putzig für Integration durch Sexualkundeunterricht plädiert. Migranten, denen womöglich ein frauenverachtendes Weltbild von Kindheit an mitgegeben ist, könnten in Aufklärungskursen lernen, was hierzulande gilt. Ein wenig skeptisch ob des Textes hat die Bildredaktion der TAZ dem Essay ein piefiges 70er-Jahre Foto beigegeben: Schüler begucken Jungs und Mädchen, nackt, aber nur gezeichnet.
Im Artikel heißt es: "Am besten wäre ein zutraulicher Imam. Der mitkommt und erklärt: Wer mit einer Frau schlafen will, sollte nicht Gott fragen, sondern die Frau." Das stimmt zweifellos, auch wenn die Fantasie der Pressebeschauerin, pardon, sofort abgleitet in Richtung des zutraulichen Imam. Aber das soll wohl nicht sein. Und trotz des traulichen Schreibstils haben die beiden TAZ-Autorinnen zweifellos gute Argumente, wenn sie fordern: "Integrationskurse müssen auch über Sexismus, Frauenrechte und persönliche Freiheit aufklären." Ohne diese Grundlagen interessiert man sich "wenig für typisch deutsche Themen wie Elternzeit, Umweltschutz oder dafür, wie man Steuererklärungen macht."
Gedanken öffnen mit Peter Gabriel
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG katapultiert uns der Musiker und Videokünstler Peter Gabriel in ein Zeitalter des sichtbaren Denkens – da braucht man so eine T-Shirt-Aufschrift "Denken hilft" womöglich gar nicht mehr. Spinnert, aber faszinierend spinnert entwickelt Gabriel seine Vorstellung von einer Zeit, in der Gehirnscanner immer besser und billiger werden und Menschen mit- und untereinander "die Gedanken öffnen könnten wie Konservendosen". "Vielleicht müssen wir uns bald Kurse ausdenken, in denen uns beigebracht wird, wie wir mit unserer neuen Offenheit zurechtkommen." Die gar nicht so hirnrissige Fantasie von Peter Gabriel über eine Zukunft, in der perfektionierter Hirnscan gang und gäbe ist, steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Aber bis dahin ist es wohl noch eine gute und beruhigende Weile.
Abenteuer erleben mit Cervantes
Und die WELT beamt uns weit zurück, und widmet sich einem der ganz Großen der Fantasie, Cervantes nämlich, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 400. Mal jährt. Uwe Neumahr hat sich dem Schöpfer des "Don Quijote" in einer offenbar fulminanten Biografie gewidmet, die schönste Nebenwirkung: "Man will sofort Cervantes lesen... und nicht nur den ungekürzten Don Quijote". Vielleicht wäre dies neblig-grieslig-matschschneegraue Wochenende ein guter Zeitpunkt, damit mal anzufangen und sich in den turbulenten Abenteuern des großen Klassikers zu verlieren? Wer dann am Montag mit vom Schmökern müden Augen wieder in der wirklichen Welt anlandet und zur Arbeit stolpert, dem sei ein Chef gewünscht, wie ihn die WELT beschwört – "Edel sei der Boss, hilfreich und gut".
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