Aufputschmittel

Nur ein kleines bisschen LSD

Junge Frau mit Sonnenbrille sieht bunte Punkte.
Es gibt keine offiziellen Untersuchungen, wie Kleinstmengen LSD auf den Geist der Menschen wirken. © imago / INSADCO
Von Gesine Kühne · 04.03.2017
Im Silicon Valley erfreut sich die Droge LSD gerade großer Beliebtheit. Die Entwickler nehmen sie in einer Mikrodosis, um Konzentration und Kreativität zu steigern. Andere bekämpfen mit der verbotenen Substanz psychische Störungen oder Rückenschmerzen. LSD statt Therapie?
Die australische Künstlerin, jung, schlank, mit gesunder Gesichtsfarbe und offenen Lächeln steht vor dem Kühlschrank ihrer WG. Ich nenne sie Fiona. Sie hält ein Marmeladenglas in der Hand. Darin schwimmt in einer klaren Flüssigkeit ein kleines Stückchen Pappe. Fiona zieht eine herkömmliche Plastikspritze auf, spritzt sich den flüssigen Inhalt – Wasser, Wodka und ungefähr 18 Mikrogramm LSD - in ihren Mund:
"Das Mikrodosieren von LSD ist für mich ein Experiment. Ich habe viel Gutes darüber von einem Freund gehört und dann auch Online-Artikel über einflussreiche Frauen gelesen, die mikrodosieren. Die haben eine Steigerung ihrer Kreativität und Produktivität bemerkt. Das hat mich neugierig gemacht. Ich wollte es einfach probieren, gucken, was passiert, ohne irgendwelche Erwartungen."

"Ein wirklich guter Tag"

Es gibt keine offiziellen Untersuchungen, wie Kleinstmengen LSD auf den Geist der Menschen wirken, aber diverse Erfahrungsberichte. Auch in Buchform, so schreibt die Amerikanerin Ayelet Waldman in ihrem Buch "A really good day", dass sie durch das Mikrodosieren von LSD ihre psychischen Störungen mit der Droge im Griff hätte. Andere User berichten von besserer Konzentration, Wachheit, aber auch von einer Besserung ihrer chronischen Rückenschmerzen oder einem Rückgang von Migräne.
Seit sechs Wochen schluckt nun auch die 26-jährige Fiona alle drei Tage ihre Dosis von 18 Mikrogramm Lysergsäurediethylamid.
Fiona: "Ich habe zuerst 25 Mikrogramm ausprobiert, und das war viel zu viel. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch und mein Geist war nicht gerade scharfsinnig. Ich habe mich eher 'high' gefühlt."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
LSD steht für Lysergsäurediethylamid - hier im Molekularmodell.© imago stock&people

Form der Selbstoptimierung

Henrik Jungaberle: "Bei 20 oder 25 Mikrogramm - die meisten Menschen spüren da schon richtige Effekte. Während die Mikrodosierungsdosis zwischen 5 und 20 Mikrogramm liegt. Auch noch ne wichtige Information, dass die verschiedenen Dosierungen bei verschiedenen Menschen verschieden stark wirken."
Er ist langjähriger Drogenforscher, hat das Drogenpräventionsprogramm "Rebound" für Schulen mitentwickelt und am Aufklärungsbuch "High Sein" als Autor mitgewirkt. Auch wenn er nicht der Typ "moralischer Fingerschwinger" ist – hält nicht viel von dem Trend, der aus dem Silicon Valley kommt. Von einem Ort, an dem Leistungsdruck ganz groß geschrieben wird.
Henrik Jungaberle: "Bei der Mikrodosierung wird ja so eine Art Selbstoptimierung angestrebt, also man möchte besser arbeiten können, deshalb ist die Nähe zu dem Thema Ritalin und anderen Stimulantien gar nicht so fern."
Ritalin kommt für viele Mikrodosierer aber nicht in Frage. Zu viele Nebenwirkungen. Starkes Schwitzen und nach dem Runterkommen leidet die Seele unter einem Kater. LSD scheint in dieser geringen Menge wohl keine Neben- oder Nachwirkung zu haben. Zumindest sind dem Forscher keine bekannt. Jungaberle stellt sogar irgendeine Wirkung der Droge in dieser Dosierung in Frage:
"Tatsächlich scheint mir, auch durch Kontakt mit Mikrodosern, dass die Erwartungshaltung sehr sehr stark ist. Und tatsächlich gibt es psychologische Untersuchungen, die zeigen, wenn Menschen erwarten 'jetzt bin ich kreativ, und jetzt bin ich kreativer', dass das auch geschieht."

Soziale Mode aus Langeweile

Jungaberle nennt diesen Trend eine soziale Mode aus Langeweile. Macher von Apps, Schreiber von Texten, aber auch Designer und andere Kreative erhoffen sich in ihrem zum Teil dann doch etwas drögen Alltag eine Bewusstseinserweiterung. Aber bitte schön im geregelten Maße.
Zurück in der WG-Küche der australischen Künstlerin Fiona. Es ist eine halbe Stunde her, dass sie ihre LSD-Dosis hatte. Gelangweilt wirkt die junge Frau nicht, sie ist wach, redselig und ehrlich:
"Das Gehirn findet neue Gedankenwege. Man bekommt eine bessere Sicht auf die eigenen Probleme. Man wird scharfsinnig. Gefühle werden ja durchs Unterbewusstsein hervorgerufen, aber damit versteht man sie."
Statt Therapie also LSD. Nur ohne professionelle Analyse und Wirksamkeitsbeweis. Fiona bleibt trotzdem erstmal dabei. Laut Drogenforscher Jungaberle soll die Mikrodosis der psychedelischen Droge zumindest organisch ungefährlich sein. Höherer Dosierungen - das ist auch bekannt - können aber durchaus Psychosen durch Wahnvorstellungen hervorrufen.
"Schräg" - die ganze "Echtzeit"-Sendung zum Nachhören (36:05 min.):
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