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Hitchcock-Klassiker als 3D-Hörspiel

 Filmposter mit einer Szene aus dem Streifen "Verdacht", in der von Schauspieler Cary Grant ein leuchtendes Glas Milch getragen wird.
Die Alptraumfabrik des Alfred Hitchcock - im Filmmuseum Potsdam. © picture-alliance / ZB
Von Elmar Krämer · 25.04.2014
Alfred Hitchcock hat aus dem Roman "Before the Fact" 1942 einen legendären Film gemacht über eine Tochter, die gegen den Willen ihres Vaters einen Hochstapler heiratet. "Verdacht" dient nun wiederum als Vorlage für ein Hörspiel - in 3D.
"Lina, sehen sie diesen Mann dort drüben? Nicht schlecht. Er schaut dauernd zu ihnen herüber – Sie sollten vorsichtig sein. Oh, er kommt herüber."
Da hat er recht: Jetzt bloß nicht den Kopf ausschalten. Aus einem Roman wird ein <ins cite="mailto:Elmar" datetime="2014-03-10T20:34"></ins>
Film und dann ein Hörspiel – und zwar ein Hörspiel mit Köpfchen, genauer gesagt mit Kopf, mit Kunstkopf. Einer ganz besonderen Aufnahmetechnik, die ein dreidimensionales Klangerlebnis verspricht:
"Was halten sie von dem herrlichen Panorama hier? Lassen sie mich doch mit dem Panorama zufrieden, ich möchte sie ansehen!"
Bei der sogenannten Kunstkopfstereophonie wird für die Aufnahme, das Modell, eines menschlichen Kopfes verwendet. In den Ohren des Modellkopfes sind exakt an der Position der Trommelfelle Mikrofone angebracht. Vorteil: eine auffallend räumliche Klangwirkung. Nachteil: großer Aufwand bei der Produktion. Die Schauspieler müssen sich kammerspielartig im Raum bewegen, Schritte, Geräusche und Atmosphären werden eins zu eins eingefangen.
Das Biest ist anfangs äußerst sympathisch
Sommer 1934: Die Elite des Landes ist zum Picknick geladen. Unter ihnen auch Lina McLaidlaw, Tochter aus schwerreichem Hause (die Schöne), gesprochen von Chris Pilcher und Johnny Aysgarth, Playboy, Herzensbrecher (das Biest), gesprochen von Boris Aljinovic, anfangs äußerst symphytisch. Klar, dass das nicht so bleibt:
"Sie wissen es und ich weiß es auch."
Eine bedingungslose Liebe, so scheint es. Linas Vater versucht zwar, seine Tochter vor dem drohenden Unglück zu bewahren – jedoch ohne Erfolg:
"Diese Aysgarths taugen alle nichts und dieser Johnny am wenigsten." Tochter: "Ich finde ihn jedenfalls ganz nett."
Lina ist hübsch, sie ist verliebt – und sie wird eines Tages das Vermögen ihres Vaters erben. Damit passt sie genau in das Beuteschema von Johnny, der sich im Laufe der knappen Stunde, die das Hörspiel dauert zu einem Hochstapler und Spieler mit unglaublicher krimineller Energie mausert. Doch immer, wenn Lina zu zweifeln beginnt, wird sie durch warme Worte und wertvolle Geschenke wieder weich gekocht:
"Liebling mach mal die Augen zu.. Jetzt kannst Du sie aufmachen! Was ist das denn? Man nennt es ein Brillant-Collier. (Lina) Woher hast Du denn das ganze Geld? (Johnny) Ich hab es eben!"
Akustische Geflecht aus Atmosphären, Musik und Stimmen
Wo der Schwarz-Weiß-Film von Alfred Hitchcock mit stimmungsverstärkender Kameraführung und dramatisch schönem Schattenspiel aufwarten kann, ist es in dem 3D-Hörspiel das akustische Geflecht aus Atmosphären, Musik und den Stimmen der Sprecher, das für Atmosphäre sorgt. Der räumliche Eindruck fasziniert und gleichzeitig irritiert er: Anfangs ruckelt man an den Kopfhörern herum, weil man das Gefühl hat, dass sie die Ohrmuschel nicht richtig abschließen. Dann will man zur Tür gehen, weil es geklingelt hat – doch das war im Hörspiel. Man zuckt zusammen, wenn sich Personen deutlich hörbar von hinten anschleichen – und Johnny Aysgarth kommt einem sehr nah, wenn er seiner Gattin Lina sanft seine Lügens ins Ohr säuselt
"Ah, Mist, das passt mir gar nicht – lies. Lina: von Deinem Bruder. Johnny: Meinst Du? Wenn ich gleich losfahre bin ich übermorgen wieder da…"
Lina, die sich nach dem Tod ihres Vaters zusehends schwächer fühlt, wird auch immer skeptischer. Grund genug hat sie. Und der Erzähler, der sich ganz direkt in das Geschehen einmischt, bestärkt sie in ihren Zweifeln:
"Lina, ist Ihnen etwas aufgefallen? Ja, seit dem Tod von Vater fragt mich Johnny kaum mehr nach Geld. Woran könnte das liegen? Ich weiß nicht, alles ist doch so wie immer. Bis auf das Eine, Lina, sie sind jetzt 100.000 Pfund reicher."
Besondere akustische Dreidimensionalität
Die direkte Interaktion zwischen Lina und dem Erzähler gibt dem Hörspiel einen besonderen Reiz ebenso wie die akustische Dreidimensionalität. Die funktioniert allerdings tatsächlich nur mit Kopfhörern, ohne Kopfhörer handelt es sich bei "Verdacht", um ein sympathisch altmodisch anmutendes Hörspiel mit charaktervollen Darstellern, auch wenn Boris Aljinovic selbst als hinterhältiger Bösewicht fast schon ein bisschen zu nett daherkommt.
"(Atmo Telefon) Savoy Club London. Hier ist Mrs. Aysgarth. Kann ich meinen Mann sprechen? Er ist leider noch nicht eingetroffen. (Gespräch mit Erzähler): Wie hab ich nur so blind sein können? Sie haben ihn geliebt! Was passiert mit Lügnern, Betrügern und Mördern? Wenn man sie überführen kann, werden sie gehängt. Und wenn nicht? Dann treiben sie weiter ihr Unwesen. (Atmo Telefon auflegen)."

Francis Iles: Verdacht
Hörspiel. Mit Boris Aljinovic, Chris Pichler, Gerd Wameling u.a.
1 CD.
Osterwoldaudio 2014, 14,99 EUR

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