"Asterix und der Greif"

Houellebecq als hinterhältiger Geograf

Andreas Platthaus im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 21.10.2021
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Mit "Asterix und der Greif" ist der erste Asterix-Band nach dem Tod von Albert Uderzo erschienen. Eine Figur darin erinnert stark an den Schriftsteller Michel Houellebecq. Eine großartige Karikatur, findet der Kritiker Andreas Platthaus.
Der neue Asterix-Comic ist der erste nach dem Tod des Co-Schöpfers Albert Uderzo und der insgesamt fünfte von Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad. Das Geschäftsmodell funktioniert auch noch nach 62 Jahren: Die Startauflage von "Asterix und der Greif" beträgt fünf Millionen Exemplare.
Im aktuellen Abenteuer verschlägt es den schnauzbärtigen Gallier in das kalte Land der Sarmaten, in dem sogar der Zaubertrank gefriert. Eine römische Expedition soll von dort ein mythenumranktes Wesen, einen Greif, nach Rom bringen, um Cäsars Ruhm zu mehren. Das hat dem Kaiser eine Figur namens Globulus eingeredet.

Gelungene Karikatur eines umstrittenen Autors

Dieser Globulus erinnert stark an den französischen Autor Michel Houellebecq. "Das ist eine ziemlich hinterhältige Figur", sagt Comic-Kritiker Andreas Platthaus. Vordergründig wolle er Cäsar helfen, verfolge aber ganz eigene Pläne.
Dass Globulus als Geograf die Züge von Michel Houellebecq trage, liege daran, "dass er vor elf Jahren einen Roman veröffentlicht hat namens 'Karte und Gebiet' und damit ein geradezu ideales Vorbild für einen Geografen abgibt. Man muss sagen, diese Karikatur des Schriftstellers ist großartig geglückt."
Man müsse das Buch nicht gelesen haben, aber um den ganzen Reiz zu haben, sei es hilfreich seine Rolle als Enfant terrible zu kennen und zumindest einige Buchtitel von ihm präsent zu haben, sagt Platthaus.
Dass er wegen seiner politischen Agenda sehr umstritten ist, habe das Autorenduo Ferri und Conrad offenbar gereizt. Und dass er als Kollaborateur auf der Seite der Römer stehe, könne man als Anspielung auf sein Buch "Unterwerfung" verstehen. "Die Römer haben letztlich nichts anderes vor, als Unterwerfung zu betreiben. So gesehen wird Houellebecq gegen sich selber gebürstet."
Bei ihm habe sich beim Betrachten der "wunderbar klassisch gemachten Bilder" im neuen Band ein "nostalgisches Wohlgefühl" eingestellt, sagt Platthaus. Er glaube, dass nicht nur alte Fans nach wie vor Gefallen an Asterix finden könnten, sondern durch die moderneren Erzählweisen und vielen politischen Anspielungen auch jüngere Leser.

Klischeehafte Darstellungen in der Kritik

Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass vor zwei Jahren eine kanadische Schulbehörde Exemplare eines Asterix-Bandes verbrennen ließ, wegen der angeblich sexualisierten Gestaltung einer jungen Indigenen mit Minirock und Dekolleté. Man müsse bei der Beurteilung solcher Darstellungen an die Entstehungszeit des betroffenen Comics Mitte der 70er-Jahre denken, findet Platthaus. Man habe ein "unschuldigeres Verhältnis zu Klischeedarstellungen" gehabt.
Aus heutiger Sicht sei das aber heikles Terrain, denn wenn ein Selbstverständnis indigener Völker als wirkliche Eigentümer des Landes auf die Erinnerung der Landnahme durch französischsprachige Europäer und respektlosen Umgang mit Ureinwohnern treffe, könne das natürlich einen Konflikt erzeugen. "Ich bin prinzipiell immer dafür, dass man solche Dinge benennt, und dass man sie zum Beispiel in einem Vorwort mit den Alben verbindet", sagt er. Bücher zu verbrennen, sei aber "blanker Nonsens".
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