"Asphalt" in Dresden

Ein Stau wird zum Theater

06:46 Minuten
Ein Mann sitzt in einem Auto.
Immer schön im Kreis fahren: „Asphalt“ von Tobias Rausch findet nicht im Staatsschauspiel statt, sondern in der Dresdner Innenstadt. © Sebastian Hoppe
Tobias Rausch im Gespräch mit Massimo Maio · 17.09.2021
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Jeder kennt diese Situation: Man steht im Stau und guckt in andere Autos. Das Staatsschauspiel Dresdner präsentiert jetzt mit dem Stück „Asphalt“ die Geschichten dazu. Es geht um einen Führerschein, Emanzipation und die Missachtung von Unfallopfern.
Wie wäre das wohl, wenn man im Stau steht und mal reinhören könnte, was in den Autos um einen herum so passiert? In Dresden läuft ein neues Theaterstück – das genau so funktioniert. Als Stau Mitten in der Stadt – in den einen Autos sitzen die Darsteller, in den anderen Autos die Zuschauer.

Das Theaterstück "Asphalt" am Staatsschauspiel Dresden ist für ihn die Verwirklichung eines Kindheitstraums, sagt Regisseur Tobias Rausch. "Als ich mit meinen Eltern früher im Stau auf dem Weg in den Urlaub stand, da habe ich oft in andere Autos reingeguckt und habe mich oft gefragt, was werden das für Menschen sein. Was sind das für Geschichten dahinter – und das machen wir jetzt."

Der Mensch als "verlängertes Organ des Autos"

Diese Geschichten drehen sich um die veränderte Mobilität in den nächsten Jahren, sagt Tobias Rausch. Er vermutet sogar, dass es diese Form von Individualverkehr, die er mit seinem Team jetzt auf den Dresdner Neumarkt bringt, vielleicht irgendwann gar nicht mehr geben könnte.
"Wir sind an einen Punkt angelangt, technisch würde man sagen an einer Disruption, wo in sehr kurzer Zeit, wahrscheinlich sehr viel passieren wird angesichts des Klimawandels und verstopfter Städte. Und trotzdem – es fällt es uns so wahnsinnig schwer, da auszusteigen."
Auch deshalb glaubt Tobias Rausch, ist es spannend, sich mit den Geschichten rund um das Automobil zu beschäftigen. Erst dann würde man verstehen, dass das Auto nicht nur ein nützliches Transportmittel sei, sondern dass damit auch Emotionen, Lebenserinnerungen und Ereignisse verbunden seien. Vielleicht sei der Mensch auch deshalb ein "verlängertes Organ des Autos" geworden, meint Rausch.


Ganz individuelle Geschichten werden erzählt, wie die einer jungen Tuneserin, die jahrelang darum gekämpft habe, in ihrem Heimatland den Führerschein machen zu können. Für sie bedeute die Fahrerlaubnis eine "Form der Emanzipation und Freiheit", erklärt Rausch.
Auf einem Markt stehen in einem Kreis Autos. Im Hintergrund steht eine Kirche.
"Asphalt": raus aus dem Schauspielhaus und rauf auf den Neumarkt in Dresden. © Sebastian Hoppe
Es wird auch die Geschichte von einem traumatisierten Unfallopfer und der Kampf mit Versicherungen, Unfallgutachtern und Gerichten erzählt. Ein Thema, das "gesellschaftlich brennt", so der Regisseur. "Warum vergisst diese Gesellschaft ihre Unfallopfer, wo sie doch Milliarden für den Straßenbau ausgibt?"
Neben diesen kontroversen Geschichten gibt es am Ende des Stückes aber auch eine Utopie, sagt Tobias Rausch. Die soll jetzt aber noch nicht verraten werden.
(jde)
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