Armut im Fernsehen

Das Klischee bedienen für die Quote

32:15 Minuten
Ein Mann mit einer Plastiktüte lehnt über einem Mülleimer auf der Suche nach Leergut.
Armut bleibt oft im Dunkeln, aber in TV-Unterhaltungsformaten ist der Umgang mit diesem Thema oft schrill und laut. © Getty Images / Sean Gallup
Agatha Kremplewski im Gespräch mit Gesa Ufer  · 05.08.2019
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In vielen Fernsehformaten stehen Einzelschicksale von armen Menschen im Vordergrund, nicht aber der gesellschaftliche Kontext, kritisiert die Journalistin Agatha Kremplewski. Darsteller wüssten oft nicht, auf was sie sich einlassen.
Armut ist ein Stigma, über das viele schweigen. Zahlreiche Fernsehsendungen, wie die Serie "Armes Deutschland" widmen sich dem Thema, in dem sie zwar Menschen zu Wort kommen lassen, aber dabei in Klischees schwelgen. Das Hauptproblem sei, dass die Ursachen von Armut meistens außen vor blieben, sagte die Journalistin Agatha Kremplewski, im Deutschlandfunk Kultur.

Kein Interesse an Ursachen

"Es werden immer stark emotional aufgeladene Einzelschicksale präsentiert, die von dem strukturellen Problem Armut ablenken." Dabei gehe es oft um "gute oder böse Arme". "Die bösen Armen sind dann eben die, die sich weigern, arbeiten zu gehen, die faul sind, die ungebildet dargestellt werden, die teilweise sogar kriminell sind und die natürlich beim Zuschauer dann sehr viele negative Emotionen erzeugen wie Wut, wie Ärger."
Die "guten Armen" seien dann häufig Menschen, die sich im Niedrigsektor abarbeiteten und Mitleid erzeugen. Es gebe eine große Bandbreite solcher Formate, wie "Hartz und Herzlich", Sozialexperimente bei "Plötzlich arm, plötzlich reich" oder "Vera unterwegs". Die meisten Sendungen funktionierten ähnlich und zeigten angeblich den Alltag von Menschen in prekären Lebenslagen.

Der frechste Arbeitslose

2011 wurde der Harz IV-Empfänger Arno Dübel als angeblich "frechster Arbeitsloser" durch zahlreiche Talkshows gereicht und sorgte für Empörung. "Natürlich laden diese Figuren extrem viele negative Emotionen auf sich und vereinen sehr, sehr viele Klischees miteinander", sagte Kremplewski. Dübel habe einen Hund besessen, viel geraucht und den ganzen Tag auf dem Sofa gesessen und Fernsehen geschaut. Solche Personen würden zur Projektionsfläche für den eigenen Frust, ohne jeden Kontext zu sehen.
Zur Motivation der Darsteller, an solchen Sendungen mitzuwirken, sagte Kremplewski, sie habe mit "Alex" aus "Armes Deutschland" darüber gesprochen. Er habe mitgewirkt, weil er darauf gehofft habe, durch die Teilnahme neuen Antrieb zu bekommen. "Natürlich ist der finanzielle Aspekt auch ein Grund", sagte die Journalistin. Oft erführen die Darsteller nicht, für welche Sendung das gedrehte Material später verwendet werde.

Weitere Aspekte von Armut in der Popkultur

In der Sendung "Kompressor" haben wir uns in weiteren Beträgen damit befasst, wie Armut und Deklassiertheit in der Popkultur dargestellt werden und sich darstellen. Wir haben deshalb mit Kompressor-Kollegin, Azadê Peşmen, darüber gesprochen, ob es heute im Hip-Hop nur noch um Glorifizierung von Block und Ghetto als Kulisse geht? Wird dabei auch gerne der Gucci-Chic im Lamborghini hergezeigt oder wo steckt der sozialkritische Rap?
EIn neunjaehriger Junge spielt mit seinem Nintendo vor einem Hochhaus in Chorweiler, am Himmel fliegt ein Flugzeug.
Ein neunjähriger Junge spielt mit seinem Nintendo vor einem Hochhaus. © blickwinkel/picture alliance
Außerdem besprechen wir mit Christian Huberts vom Poor Player Podcast, ob in Computerspielen genauso stereotyp dargestellt wird.
(gem)
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