ARD setzt bei Kultur auf Altbewährtes

Moderation: Gabi Wuttke · 10.04.2006
Aus Alt mach Neu: Ab dem 30. April wird das Kulturmagazin in der ARD unter dem einheitlichen Namen "Titel, Thesen, Temperamente" gesendet. Unter diesem Namen war das Kulturmagazin schon 1967 gestartet, bevor die verschiedenen ARD-Anstalten andere Namen einführten. NDR-Kulturchef verteidigte den Rückgriff auf den alten Titel mit dem Verweis auf seinen hohen Bekanntheitsgrad.
Wuttke: "Titel, Thesen, Temperamente". 1967 wurde dieser Name für die Kultursendung im Ersten Programm erfunden. Aber seit vielen, vielen Jahren nutzt ihn nur noch der Hessische Rundfunk. Thomas Schreiber hat seinen Arbeitsplatz in Hamburg, denn er ist der Fernsehkultur-Chef des NDR. Herr Schreiber, warum wurde in die Mottenkiste gegriffen und der Titel "Titel, Thesen, Temperamente" wieder rausgezogen?

Schreiber: Ach, das mit der Mottenkiste, ich hoffe nicht, dass es eine ist. Der Titel ist - Sie haben es gesagt - am längsten in der ARD präsent. Die anderen ARD-Sender, die auch am Sonntagabend Kultursendungen machen, haben wie der Westdeutsche Rundfunk ihre Sendung "Kulturweltspiegel" genannt. Alle anderen haben ihre Sendung "Kulturreport" genannt. Wir haben in einer Zuschauerbefragung zwei Dinge rausbekommen, also noch ein paar mehr, aber zwei, die man kurz und prägnant darstellen kann, erstens, 82 Prozent der Zuschauer wünschen sich eine moderierte Sendung, und zweitens, TTT, "Titel, Thesen, Temperamente", also der Haupttitel heißt TTT, ist der bekannteste Titel.

Wuttke: Was ja aber auch heißt, man glaubt ja immer, die Zuschauer genau wie die Wähler haben kein nachhaltiges Gedächtnis. Dieser Name hat sich eingeprägt. Ich im Übrigen habe auch nie verstanden, warum man auf den hübschen Stabreim verzichtet hat, das ist ja wirklich ein Markenzeichen gewesen.
Schreiber: Ja, aber eben eines Senders. Da die ARD ja mit vielen Stimmen spricht, zumindest mit den Stimmen der Sender, die sich in ihr zusammengetan haben, war es in der Vergangenheit auch so, dass die unterschiedlichen Sendungen auch einfach anders ausgeschaut haben. Also die Kollegen in Köln zum Beispiel beim WDR mit dem "Kulturweltspiegel" wollten zum Ausdruck bringen, sie gucken ein bisschen weiter in die Welt als die anderen, und "Kulturreport" hat sowohl nach draußen als auch nach Deutschland geguckt, und mittlerweile ist es so, dass die Sendungen, egal ob sie jetzt aus München oder aus Berlin oder aus Frankfurt kommen, dass die Sendungen sozusagen fast eine Handschrift tragen, und, um schlicht und einfach dem Sendeplatz eine höhere Wiedererkennbarkeit zu geben, haben wir gesagt, erstens, wir brauchen ein Gesicht, das für alle die Sendung verkauft, und zweitens, wir brauchen einen gemeinsamen Titel.

Wuttke: Ein neues Gesicht, ein neues Studio, neue Titelmelodie, neue Aufmachung. Aber letztlich ist doch das gute Neue das gute Alte?

Schreiber: Also es soll ein bisschen jünger und ein bisschen frischer aussehen. Das Alte heißt, dass wir wirklich als Sender gemeinsam sagen, wir wissen, wo wir stark sind. Wir haben zwischen einer und 1,5 Millionen, gestern war es nicht ganz so doll, 920.000 Zuschauern, die wir um 23 Uhr am Sonntag Abend, wo man ja eigentlich schon ein bisschen in die neue Woche schaut, versammeln, die meisten Zuschauer in der ARD oder bei allen ARD-Sendern, die sich für eine Kultursendung interessieren, also wir erreichen dort ein relativ großes Publikum.

Wuttke: Das ist durchschnittlich wie alt, also ich meine, wenn man sich eben an den Titel "Titel, Thesen, Temperamente" erinnern kann?

Schreiber: Das Publikum liegt bei um die 50 Jahre.

Wuttke: Ich weiß gar nicht, wie viel Jahre dieser Name schon wieder existiert.

Schreiber: 40, 39, TTT.

Wuttke: Inhaltlich ändert sich ja, haben Sie gesagt, nicht allzu viel, was ja doch wiederum schade ist, Thomas Schreiber, denn für Sie aus Ihrem Sendegebiet, auch aus dem Norden gibt es doch einiges Berichtenswerte über die Kultur, aber es bleibt weiter eben das große Magazin. Warum eigentlich? Die Landesanstalten haben sich doch auch und nehmen sich weiterhin sehr wichtig auch eben in ihrer Landeskompetenz.

Schreiber: Ja, aber das machen wir ja in dem dritten Programm. Also der NDR hat ja zum Beispiel am Montag um 22:30 Uhr das Kulturjournal.

Wuttke: Ja, das bleibt im Land.

Schreiber: Nee, das stimmt nicht ganz. Also das Kulturjournal guckt nicht nur aus dem Land, sondern auch über die Landesgrenzen Norddeutschlands hinaus, und die ARD versucht, sowohl in die Welt zu gucken als eben auch nach Deutschland.

Wuttke: Also es soll auch kein Gespräch geben, sondern immer fünf gebaute Beiträge. Kein Gespräch auch, obwohl das natürlich auch eine jüngere Klientel interessieren könnte, weil das die "Kulturzeit" auf 3Sat hat?

Schreiber: Nee, also erstens, um den Vergleich mit der "Kulturzeit" gleich zu behandeln, die "Kulturzeit" läuft um 19:20 Uhr und erreicht im Schnitt, also ich habe mir die Zahlen der vergangenen Woche noch mal angeguckt, zwischen 130.000 und 160.000 Menschen. Das ist gerade ein halbes Prozent der Menschen, die dann Fernsehen gucken. Das sind nicht so rasend viele. Von daher können wir, glaube ich, mit dem ARD-Kulturreport beziehungsweise TTT ganz zufrieden sein.

Zweitens sendet die "Kulturzeit" ja im Wesentlichen die Beiträge nach, die die ARD-Sender im Ersten oder auch im Dritten in ihren jeweiligen Kulturmagazinen schon senden. Und drittens ist ja ein journalistisches Gespräch für diese Sendung nicht unbedingt die beste Form, denn für die Magazinbeiträge reisen wir ja teilweise relativ aufwändig in die verschiedenen Länder. Wir arbeiten außerordentlich liebevoll mit den gedrehten Bildern, mit Interviews, mit Musik im Schnitt, so dass die Information, die in einem Magazinbeitrag von vier, fünf, sechs Minuten Länge transportiert werden kann, deutlich größer ist als das, was man vielleicht in einem ebenso langen Interview mit aber nur einer Person transportieren kann. Also es gibt schon einen journalistischen Sinn, im Fernsehen auch Filme zu zeigen.

Wuttke: Sie haben die Einschaltquoten erwähnt. Wäre es nicht etwas richtig Neues, der Kultur eine bessere Sendezeit im Ersten zu geben?

Schreiber: Ich finde die Sendezeit nicht so schlecht, muss ich Ihnen sagen, und ich glaube, der Vergleich der absoluten Zuschauerzahlen, die ich eben genannt haben, zwischen der guten, der vorgeblich guten Sendezeit 19:20 Uhr bei 3Sat und der Sendezeit im Ersten zeigt, dass wir wirklich ein großes Publikum erreichen.

Wuttke: Aber optimal finden Sie diesen Sendeplatz auch nicht?

Schreiber: Es ist schlicht und einfach so, dass wir uns in der ARD gemeinsam überlegt haben, wir haben die Tagesthemen in der Woche, und da hatten wir sie früher um 22:30 Uhr, jetzt um 22:15 Uhr, und es ist ein bisschen absurd, wenn wir die Tagesthemen am Sonntag nach Mitternacht beziehungsweise nach 23 Uhr senden, und da sollte die Wiedererkennbarkeit schon ein bisschen gewahrt bleiben, und deswegen macht die Reihenfolge, 20 Uhr Tageschau, 20:15 Tatort, 21:45 Sabine Christiansen, 22:45 Uhr Tagesthemen und 23 Uhr TTT schon Sinn.

Wuttke: Das heißt, die Kultur wird immer hinter der aktuellen Politik stehen müssen?

Schreiber: Das finde ich jetzt ein bisschen polemisch gefragt. Es macht aus unserer Perspektive Sinn, dass die Tagesthemen jeden Tag in der Woche möglichst so nahe an ihrer regelmäßigen Zeit sind, die sie eben auch in den Wochentagen hat, und das war eine bewusste Entscheidung zu sagen, die Menschen, die sich für Sabine Christiansen interessieren, die interessieren sich auch für Nachrichten, und die sich für Kultur interessieren, die informieren wir danach. Wenn wir die Nachrichtensendung später machen würden, dann würden wir nach Christiansen möglicherweise auch Menschen in andere Programme vertreiben, die schlicht und einfach, bevor sie ins Bett gehen, noch mal wissen wollen, gibt es irgendwelche Neuigkeiten.

Wuttke: TTT, Titel, Thesen, Temperamente, ab 30. April im Ersten. Vielen Dank, Thomas Schreiber, Kulturchef des NDR-Fernsehen.
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