ARD-Film: "3 ½ Stunden"

Ringen um Lebensentscheidungen am Tag des Mauerbaus

08:30 Minuten
Eine Familie steht vor einem Zug und es sieht so aus, als würden die Personen sich voneinander verabschieden.
Die überzeugte Kommunistin Marlis (Susanne Bormann) und ihr Mann Gerd (Jan Krauter) entscheiden sich dafür, verschiedene Wege zu gehen. © ARD Degeto / Real FIlm / Amalia Film
Robert Krause im Gespräch mit Dieter Kassel  · 07.08.2021
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Der ARD-Spielfilm "3 ½ Stunden" erzählt von Menschen, die am Tag des Mauerbaus schwere Lebensentscheidungen treffen müssen: zurück in die DDR oder abhauen in den Westen? Drehbuchautor Robert Krause verarbeitet darin auch ein Familientrauma.
Am 13. August 1961 wurde mitten durch Berlin Stacheldraht verlegt – erste Vorarbeiten für den Mauerbau. Die ARD zeigt nun "3 ½ Stunden", der an diesem Tag spielt. Er begleitet Reisende in einem "Interzonenzug" auf dem Weg von München nach Ost-Berlin.
Als die Menschen in dem Zug vom Mauerbau erfahren, haben sie noch dreieinhalb Stunden Zeit, um zu entscheiden: aussteigen im Westen oder weiterfahren in die abgeriegelte DDR?

Die Zugreise der eigenen Großeltern

Auch die Großeltern des Roman- und Drehbuchautors Robert Krause saßen in einem solchen Zug, erzählt er. Sie hätten damals die Schwester der Großmutter in Bremen besucht und waren auf der Rückreise nach Dresden, als sie vom Mauerbau erfuhren. "Da muss es ziemlich heiß hergegangen sein im Zug", sagt Krause. Die Mauer habe seine Familie über Jahrzehnte zerteilt, das könne man auch als "Trauma" bezeichnen. Seine Mutter habe sich immer nach ihrem Vater im Westen gesehnt. Aber das sei wie auf einem anderen Planeten gewesen.

Das Gefühl der Endlichkeit

Schon beim Schreiben des gleichnamigen Romans habe er sich sehr stark mit Entscheidungen beschäftigt, die die Menschen in seinem fiktiven Zug zu treffen haben, sagt Krause. "Warum tun wir uns so wahnsinnig schwer mit Entscheidungen?" Er glaube, dass wir bei riesigen Entscheidungen spüren, dass wir endlich sind.
Als er das begriffen habe, sei er tagelang sprachlos gewesen, dass Entscheidungen uns diese verdrängte Endlichkeit unseres Lebens bewusst machten. "Deswegen hat auch dieser Film und der Roman so eine Kraft – weil, vor so einer Entscheidung haben wir alle Angst", so der Autor. Er habe selbst 1989 mit seiner Freundin um diese Frage der Flucht in den Westen gerungen und sich dann über Ungarn auf den Weg in die Bundesrepublik gemacht.*
Bei der Recherche sei ihm auch bewusst geworden, dass Anfang der 1960er-Jahre – so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg – viele Menschen in der DDR noch davon angetrieben worden seien, eine bessere Welt zu schaffen, sagt Krause. Dieser Zeitgeist habe ihn sehr angerührt.
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben die Jahreszahl korrigiert.

Robert Krause: "Dreieinhalb Stunden. Wie entscheidest du dich"
Rowohlt Taschenbuch 2021
353 Seiten, 12 Euro

Der Film "3 ½ Stunden" läuft am 7. August 2021 um 20.15 Uhr im ARD-Fernsehen und ist weiter in der ARD-Mediathek abrufbar. Er ist Teil eines Themenabends zum Mauerbau am 13. August 1961.

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