Architekt Wolfram Putz

"In der Welt ist der rechte Winkel eine Seltenheit"

35:45 Minuten
Von links nach rechts: Thomas Willemeit, Wolfram Putz und Lars Krückeberg.
Wolfram Putz (m.) und seine GRAFT-Kollegen Thomas Willemeit (l.) und Lars Krückeberg (r.) legen bei ihren Projekten Wert auf Nachhaltigkeit. © Laif / Amin Akhtar
Moderation: Ulrike Timm · 29.12.2020
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Das Architekturbüro GRAFT ist bekannt für moderne, oft organisch wirkende Gebäude. Der Architekt Wolfram Putz hat die Firma mit seinen Studienkollegen Lars Krückeberg und Thomas Willemeit in Los Angeles gegründet. Ihr erster Kunde war Brad Pitt.
Vieles, was Wolfram Putz mit seinem Architekturbüro GRAFT gebaut hat, weist auffällig geschwungene Linien auf, eigenwillige Formen, die man nicht überall findet. Neben den Wünschen der jeweiligen Bauherren spiegele sich darin noch etwas anderes wieder: "Man hat auch ein inneres Sehnen, ein Wünschen, eine Prägung, die Formsprache und Gestalt informiert. Bei uns ist das die Beschäftigung mit Musik gewesen, mit Natur, mit natürlichen Räumen und eben mit der Dynamik von Form und Gestalt", so Putz.
Es komme immer darauf an, was gebaut wird. "Das Einschüchternde eines sehr statischen, rechtwinkligen Raumes ist manchen Aufgaben angemessen und manchen nicht. In der Welt ist der rechte Winkel eine Seltenheit", sagt der Architekt.

Spaß haben und rumspinnen

Entstanden ist GRAFT vor mehr als 20 Jahren in Los Angeles. Die Idee entwickelte Putz mit seinen Freunden Lars Krückeberg und Thomas Willemeit, mit denen er dort auch in "einer Art Villa Kunterbunt" lebte.
"Wir kennen uns aus dem Studium, wir haben zusammen Musik gemacht, wir sind zusammen um die Welt gereist. Aus dieser Zeit hat sich auch diese Bürogründung ergeben."
Eingangsbereich des Postgewerbehof-Neubaus mit einer gewölbten Fassade aus Backstein.
Die Architekten von GRAFT arbeiten viel mit geschwungenen Linien und eigenwilligen, von der Natur inspirierten Formen.© Imago / Joko
Bei der vielen Zeit, die Architekten üblicherweise in ihren Beruf investieren, wie Putz sagt, war es den dreien immer wichtig, Spaß an der Arbeit zu haben. Auch wenn das Büro inzwischen deutlich gewachsen ist und Hunderte von Mitarbeitern dazu gekommen sind, reservieren sich die drei Gründer anderthalb Tage pro Woche, in denen sie noch selbst "mit rumspinnen" dürfen, wie Putz es formuliert: "Denn dieser Moment der Idee, das ist eigentlich das Schönste an der Architektur."

Nachhaltig und sozial verträglich

Bei der Bauplanung spielt für Putz auch stets die Nachhaltigkeit eine Rolle: "Man muss Materialien verwenden, die nach Ende eines Lebenszyklus des Hauses auch wiederverwertbar sind. Das Haus muss gesund sein, wenn man in ihm lebt, darf es einen nicht schädigen. Wir haben Häuser gebaut, da atmet man innen besser, als wenn man an der frischen Luft ist."
Sein Büro engagiert sich dabei nicht nur im Hochpreissegment, sondern arbeitet auch aktiv an Projekten mit sozialen und gesellschaftlich relevanten Komponenten. So haben Putz und seine Kollegen nach der Flutkatastrophe in New Orleans ganze Stadtviertel wiederaufgebaut.
"Wir haben uns anderthalb Jahre angehört, was die Leute wollten. Die wollten vor allem das Verlorene wiederhaben, also gar nicht unbedingt was Neues. Es musste günstig sein, das heißt, man musste die Bautechniken benutzen, die da schon gang und gäbe waren. Das ist auch erfüllend."

"Der Brad hat Geschmack"

Dieses Projekt kam in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Brad Pitt zustande. Der war einer der ersten Kunden von GRAFT. Das war durchaus ein Vorteil für das Büro der drei Deutschen in Kalifornien:
"Im ersten Jahr war das überall wichtig, weil man natürlich sofort Vertrauen gekriegt hat, das man auch bei neuen Bauherren ummünzen kann. Später war das vor allen Dingen in Deutschland wichtig", meint Putz.
In Los Angeles habe jeder Architekt auch prominente Kunden, nur wären eben nicht alle gleichermaßen geschmackssicher: "Der Brad ist auf jeden Fall jemand, der einen wahnsinnig guten Geschmack hat, der total zu uns passte, extrem Architektur-affin ist und darauf bestand, auch immer mitzumachen."

Bauen in den Bergen

Bei allen Bauten, die Putz schon entworfen hat, bleiben immer noch Träume, die er gerne realisieren möchte: "Ich würde gerne ein Parlament bauen, für einen Staat, der sich als Demokratie neu erfindet. Ich würde auch gerne einen Gedenkraum, einen Meditationsraum, eine Kirche bauen. Den Traum einer neuen Gesellschaft in Architektur gießen, das fände ich super. Ich würde gerne noch etwas in den Bergen bauen, weit ab vom Schuss."
Blick auf die Schierker Feuerstein Arena mit ihrem geschwungenen Dach.
Das geschwungene Dach der Schierker Feuerstein Arena soll nicht nur vor Niederschlägen schützen, sondern auch den Blick auf die umliegenden Gipfel rahmen.© Picture Alliance / dpa / Matthias Bein
In den Alpen finden sich bereits einige Gebäude, die von ihm entworfen wurden, darunter kleine Schutzhütten für den Alpenverein oder ein Bergmuseum für Reinhold Messner. Bis heute sind die Berge – Klettern, Wandern und Skifahren – eine große Leidenschaft:
"Ich würde sagen, die Berge sind meine Kirche." Es gab auch mal den Berufswunsch Bergführer. "Ich bin mittlerweile ganz froh, dass ich das nicht gemacht habe, denn intellektuell ist das eine starke Unterforderung."
Auch so muss er den Bergen nicht fernbleiben: Einen Teil seines Studiums hat Putz im US-Bundesstaat Utah auf 3.000 Metern Höhe absolviert. "Es gibt dort natürlich die Mormonen und eine stark erkennbare Outdoor-Community, in der man wie in einer Diaspora unter Skifahrern und Bergsteigern lebt. Also ich bin mindestens so viel skigefahren, wie ich studiert habe."

Entwurf für Intensivstation

Aktuell werden einige von seinem Büro gestaltete Räume besonders intensiv genutzt: Für die Berliner Charité entwarf GRAFT Räume für die Intensivstation. Da ging es vor allem darum, dass alles "nicht so technisch" aussehen sollte.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes ging es auch noch darum, mithilfe von Licht und Farben eine Atmosphäre zu schaffen, die Menschen hilft, die aus der Narkose aufwachen, besser in das bewusste Leben zurückzufinden.
"Unsere Räume waren schon vor der Covid-Pandemie in Gebrauch. Jetzt gibt es eigentlich keine Atempause mehr für unsere Bauherren."
(mah)
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