Architektur-Ausstellung "Wohnen für Alle"

Gegen den Trend zum Mietenwahnsinn

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Das hölzerne Terassenhaus der NL Architects aus Amsterdam bei der Ausstellung "Wohnen für Alle - Das neue Frankfurt 2019."
Das hölzerne Terassenhaus der NL Architects aus Amsterdam bei der Ausstellung "Wohnen für Alle - Das neue Frankfurt 2019." © NL Architects
Von Ludger Fittkau · 13.04.2019
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In einer Ausstellung in Frankfurt am Main werden Architekturentwürfe für bezahlbares und dennoch zeitgemäßes Wohnen gezeigt. Diese Projekte sollen 2020 realisiert werden und den Impuls für ein neues Stadtquartier im Frankfurter Norden bilden.
Besonders spektakulär - das 48 Meter lange hölzerne Terassenhaus der NL Architects aus Amsterdam. Die vier Etagen mit Wohnungen unterschiedlicher Größe sind auf der Längsseite zur Straße hin durch Laubengänge erreichbar. Die straßenabgewandte Seite des mächtigen Holzbaus ist durch offene Balkone mit dreieckigem Grundriss gegliedert, die sich terassenförmig übereinander schieben.

Mietpreis deutlich günstiger als im privaten Wohnungsmarkt

Gerade die Terrassierung gibt dem Gebäude eine großzügige Note, jede Mietwohnung hat durch die geschickte Gliederung des Außenbereichs auch so etwas wie eine Privatsphäre auf der Terrasse. Das Ganze für einen Mietpreis von unter 12 Euro pro Quadratmeter, der damit deutlich unter dem privaten Wohnungsmarkt für Neubauten in Frankfurt am Main liegt. Das betont Frank Junker, der Geschäftsführer der kommunalen Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft ABG:
"Jetzt haben wir April 2019 - wir sind jetzt in einem Stadium, wo wir sagen, wir setzen das jetzt gemeinsam um, so dass wir dann möglichst auch im Jahr 2020 mit der Realisierung beginnen können. Es geht - man muss es nur machen."

Inspirationen aus dem Bauhaus

Vorbild ist das sogenannte "Neue Frankfurt". So nannte vor knapp 100 Jahren der damalige Stadtbaumeister Ernst May sein vom Bauhaus inspiriertes Stadtentwicklungsprojekt. Binnen fünf Jahren baute May mehrere tausend günstige Mietwohnungen auf zuvor enteignetem Ackerland, die auch architektonisch überzeugen sollten. Heute sollen die Frankfurter May-Siedlungen UNESCO-Weltkulturerbe werden. Peter Cachola Schmal, der Direktor des Deutschen Architekturmuseums:
"Der ist angetreten und fünf Jahre später ist er wieder abgetreten. In den fünf Jahren hat er eben 10.000 Wohnungen realisiert und die Bauern wurden enteignet. Und – zack, zack – sind die Siedlungen entstanden. Das ist heute nicht so einfach, auch wenn die Aktivsten für Ernst May geschwärmt haben."
Der Entwurf des schweizerischen Architekturbüros Duplex Architekten bei der Ausstellung "Wohnen für Alle - Das neue Frankfurt 2019".
Der Entwurf des schweizerischen Architekturbüros Duplex Architekten bei der Ausstellung "Wohnen für Alle - Das neue Frankfurt 2019".© nightnurse images / Duplex Architekten Zürich
Von den großzügigen Gartenbereichen der Ernst May-Siedlung "Römerstadt" lassen sich auch einige der aktuellen internationalen Architekturbüros für ihre Frankfurter Pläne inspirieren. Die Gärten werden dabei in den Entwürfen teilweise auf das Dach verlegt - etwa bei den Berliner Architekten "Präger Richter" oder dem Büro "Duplex" aus Zürich, das stark mit Fassadenbegrünung arbeiten will.

Ein Ort, an dem die Menschen glücklich sein können

Das Pariser Büro "Lacaton & Vassal" spickt die Fassade seines Gebäudekomplexes mit drei Meter breiten Wintergärten. Diese Außenhülle bietet gerade in Zeiten des Klimawandels die Chance, die Raumtemperatur individuell zu beeinflussen. Jean Philippe Vassal betont jedoch vor allem, dass heute wieder menschenfreundlicher gebaut werden sollte:
"Das beste System, das Komfort, Nachhaltigkeit und Ökologie verbindet, ist für die Leute einen Ort zu bauen, wo sie glücklich sein können. Wir müssen versuchen, wieder einfacher zu bauen. Weniger Technik, mehr natürliche Materialien. Auf die Sonne und das Licht achten genauso wie auf gute Luftzufuhr und das Leben der Bewohner*innen. Dann kann man diese wichtige Herausforderung meistern, die sie hier angehen - Wohnen für alle."

Dachflächen für die Hausgemeinschaft

Das Büro "schneider+schumacher" aus Wien überzeugt im Frankfurter Architekturwettbewerb mit einem Mietshauskonzept für 51 Wohnungen, das vor allem durch sparsame Aufzugstechnik oder einfache Storm- und Wasserplanungen den Baupreis drücken kann. Im Erdgeschoss des Mietkomplexes sind Gemeinschaftsflächen wie "co-working-spaces" und "Wasch-Cafés" vorgesehen. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, können sie schnell zu Wohnungen umgewandelt werden. Doch der Gemeinschaftsgedanke wird nicht fallen gelassen. Cornelia Loidolt vom Wiener Wettbewerbsgewinner:
"Mit dieser Wiener Brille auf diese Aufgabe geschaut, muss man auch sagen, dass wir ein paar Dinge auch anders beantwortet haben, als sie eigentlich in der Vorgabe war. Also zum Beispiel der private Außenraum, den versuchen wir in unserem Vorschlag auch zu minimieren. Und würden anstatt dessen Dachflächen aktivieren, die der Gemeinschaft dann auch dienen. Und an dieser Stelle mithelfen, dass die Bewohner dort auch zu einer Gemeinschaft werden können."
Der Entwurf "Max und Moritz" des Büros schneider+schumacher aus Frankfurt und Wien bei der Ausstellung "Wohnen für Alle - Das neue Frankfurt 2019."
Der Entwurf "Max und Moritz" des Büros schneider+schumacher aus Frankfurt und Wien bei der Ausstellung "Wohnen für Alle - Das neue Frankfurt 2019."© schneider+schumacher Architekten / cbaldeweck
Gebaut werden sollen alle Siegerentwürfe des Wettbewerbs auf einem Acker im Frankfurter Norden. Hier sollen letztendlich 850 neue Wohnungen entstehen. Für den Frankfurter Planungsdezernenten Mike Josef ist das ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der stark wachsenden Stadt. Der internationale Architekturwettbewerb habe aber auch gezeigt, dass in Deutschland Bauvorschriften und eine Vielzahl von technischen Normen günstiges Bauen deutlich schwieriger machen als im europäischen Ausland: "So rechtfertigt der Aufwand das Ergebnis einfach nicht mehr. Weil am Ende für die Menschen bei aller Debatte die Bezahlbarkeit wesentlich ist."
Bezahlbarkeit und Schönheit der Wohnung - eine aktuell hierzulande eher seltene Verbindung, die beim Projekt "Wohnen für Alle" in Frankfurt am Main nun eine neue Chance bekommen soll.

WOHNEN FÜR ALLE – DAS NEUE FRANKFURT 2019
Präsentation des Wettbewerbs: 13. April – 23. Juni 2019

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