Arbeitsrecht und Coronakrise

Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber jetzt hinnehmen müssen

39:51 Minuten
Eine Frau arbeitet aufgrund der Ausbreitung des Coronaviruses von zuhause aus.
Während der Coronakrise mit Pantoffeln im Homeoffice. © dpa/ Sebastian Gollnow
Hildegard Gahlen im Gespräch mit Andrea Gerk · 24.03.2020
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Kurzarbeit, Homeoffice, neue Dienstpläne: Die Coronakrise verlangt Beschäftigten und Arbeitgebern einiges ab, führt zu Konflikten, sagt Arbeitsrechtlerin Hildegard Gahlen. Etwa wenn Mitarbeiter aus Angst vor Ansteckung nicht zur Arbeit kommen wollen.
Darf ich aus Angst vor Ansteckung nicht zur Arbeit gehen? Muss ich ins Homeoffice? Kann ich für meine Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld beantragen? Die Coronakrise sorgt auch im Arbeitsleben für viel Unsicherheit und für viele ungeklärte Fragen.
Einige davon landen auf dem Tisch von Hildegard Gahlen. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Professorin an der juristischen Fakultät der Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM) in Essen.

Angst vor Ansteckung

Derzeit fragten Mandanten häufig nach wegen Konflikten, die aufgrund der Weigerung von Arbeitnehmern entstünden, zur Arbeit zu kommen - aus Angst, sich dort mit dem Coronavirus anzustecken, berichtet sie. Und stellt klar: Angst vor Ansteckung sei kein Grund, der Arbeit fernzubleiben. Im Zweifelsfall drohe hier sogar die Kündigung.
Allerdings müsse der Arbeitgeber seinerseits dafür Sorge tragen, dass am Arbeitsplatz die vorgeschriebenen Vorsichts- und Schutzmaßnahmen getroffen würden. "Ein Betrieb muss darauf achten, dass Hygienemaßnahmen eingeführt und eingehalten werden", betont Gahlen. "Im Zweifelsfall müssen Sie den Arbeitgeber abmahnen. Das klingt komisch, aber in der Tat kann das ein Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt." Und dazu gehöre auch, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ohne Gefahr für Leib und eigenes Leben erbringen könne.

Unbezahlter Urlaub muss abgesprochen werden

Wenn jemand aus Furcht vor einer Ansteckung dennoch nicht zur Arbeit kommen möchte, rät die Arbeitsrechtlerin, mit dem Arbeitgeber über unbezahlten Urlaub zu sprechen. "Wenn der Arbeitgeber damit einverstanden ist, geht das. Aber Sie können das nicht einseitig machen, Sie können nicht einfach wegbleiben und sagen: Ich betrachte das als unbezahlten Urlaub."

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Die Möglichkeit, Arbeitnehmer ins Homeoffice zu schicken, sollte bereits im Arbeitsvertrag festgehalten sein, so Gahlen weiter. In diesem Fall könne der Arbeitgeber tatsächlich anordnen, dass die Arbeit vom Homeoffice aus gemacht wird. "Aber der Arbeitgeber kann sich nicht seiner Verpflichtung entledigen, hier auch die entsprechenden Arbeitsmaterialien zur Verfügung zu stellen." Zum Beispiel müsse auch "für einen geeigneten Schreibtisch und einen geeigneten Schreibtischstuhl" gesorgt werden.

Der Arbeitgeber darf die Arbeitszeiten neu festlegen

Bei der Verteilung der Arbeitszeiten dürfe der Arbeitgeber, soweit dies vertraglich nicht anders festgehalten sei, der Situation entsprechend handeln und die Arbeitszeiten auch neu festlegen. "Aber er muss Ihnen auch Gelegenheit geben, Ihren privaten, sonstigen Lebensrhythmus darauf abzustimmen".
Wenn zum Beispiel eine Arbeitszeiterhöhung nach Ansicht eines Arbeitnehmers nicht zumutbar sei – wie im Falle einer Hörerin, die trotz einer Halbtagsstelle von einer Woche auf die nächste in Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten soll –, empfiehlt Gahlen, immer das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Generell sei der Dialog und ein beidseitiges Entgegenkommen angeraten. Angesichts der in Zeiten von Corona oftmals überforderten Arbeitgeber seien auch eigene Ideen gefragt: "Kommen Sie mit Ihrem Anliegen, aber bieten Sie Ihrem Arbeitgeber dabei auch gleich einen Lösungsweg an."

Nicht eine Regel für alle

Als komplex erweist sich Gahlen zufolge auch das Thema Kurzarbeit: So gelten unterschiedliche Regeln für Angestellte, geringfügig Beschäftigte und befristet beschäftigte Arbeitnehmer. Während Arbeitgeber für ihre regulär beschäftigten Angestellten recht unproblematisch Kurzarbeitsgeld beantragen dürfen, gelte diese Regelung so für geringfügig Beschäftigte nicht.
Auch Gahlen selbst ist in ihrer Kanzlei von den Auswirkungen der Coronakrise betroffen. So blieben zwei ihrer Mitarbeiterinnen derzeit mit ihren kleinen Kindern zu Hause. "Das muss man als Arbeitgeber ertragen", so die Arbeitsrechtlerin. Und auch ihre Arbeit als Universitätsdozentin verändert sich. "Ich werde morgen meine erste Video-Vorlesung halten. Das ist für mich sehr spannend, aber ich bin sicher, das kriegen wir alle gewuppt, weil die Studenten auch entsprechend motiviert sind."
(mah/uko)
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