Arbeitsplatzdesign

Eine Warnung vor Wohlfühlzonen und Bürobotanik

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Meschen sitzen in einem loftartigen Büro mit Planzen an ihren Arbeitsplätzen.
Schöne neue Arbeitswelt: Bürobotanische Allegorien sind kalkuliert, warnt Daniel Hornuff. © imago images / Westend61 / Bonninstudio
Beobachtungen von Daniel Hornuff · 07.05.2019
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Im Büro sind nicht nur echte Pflanzen beliebt. Der Philosoph Daniel Hornuff kritisiert, dass Botanik auch bei der Beschreibung neuer Arbeitswelten Konjunktur hat: Wenn das Büro zum "Gewächshaus für innovative Ideen" wird, sei Vorsicht angebracht.
Im Jahr 2018 veröffentlichte der Fotograf Frederik Busch einen wunderbaren Porträt-Band. Busch porträtierte allerdings keine Menschenkörper, sondern Büropflanzen. In Betrieben und Kanzleien, in Arztpraxen und Agenturen hatte Busch nach grünen Dekorationen gesucht. Seine dokumentarisch-nüchternen Fotografien stellen die Pflanze als ein Quasi-Bürowesen mit erhöhtem Pflegebedarf vor.

Bürodesign als Bühne des Fortschrittsdenkens

Neben Buschs Porträt-Idee hat sich mir in diesem Zusammenhang vor allem der Begriff der "Bürobotanik" eingeprägt. Dies allerdings weniger mit Blick auf tatsächliche Pflanzen im Büro. Stattdessen erscheint mir die Bürobotanik als etwas, das große Teile unserer heutigen Arbeitsgesellschaft bildhaft charakterisiert. Im Büro soll das Ideal eines steten Wachstums für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter erlebbar werden, sollen Idee gedeihen, soll Kreativität sprießen.
Dafür braucht es spezielle Raumkonzepte. Folglich avanciert das Büro-Design zur Bühne eines quantitativen Fortschrittsdenkens. Die scheinbare Individualisierung der Räume durch Tischtennisplatten, Wohlfühlkissen oder gestisch bemalte Wände ist eine Art ästhetisch-sinnliche Ablasszahlung für eine als zunehmend abstrakt empfundene Arbeitskultur.

Ein angebliches "Gewächshaus für innovative Ideen"

Es verwundert also nicht, dass gerade Hersteller von Büromöbeln das Büro zu Treibhäusern der Expansion aufplustern. So etwa das österreichische Unternehmen "Blaha Büromöbel": Eine kürzlich eröffnete Ausstellung am Firmensitz steht unter dem Titel "Kreativ verstärkte Räume" – wobei unklar bleibt, welche Art der kreativen Büroverstärkung gemeint sein soll.
In jedem Fall hat das Büro Gigantisches zu leisten: Es sei nicht nur "Ort der Wertschöpfung" und "Schaltzentrale für zukunftsweisende Entscheidungen". Nicht zuletzt schaffe das Büro ein "wertschätzendes Umfeld für Menschen" sowie – nun wieder ganz botanisch – ein "Gewächshaus für innovative Ideen".
Spätestens damit ist klar: Bürobotanische Allegorien dienen dazu, eine neoliberale Doktrin durch sprachliche Begrünung für möglichst alle genießbar zu machen. Begrifflich verlegt man sich aufs Pflanzliche und Organische – und imaginiert Räume, in denen sich Selbstentfaltung mit Gewinnmaximierung zu verbinden scheint. Unter dieser Maßgabe wird das Büro zur kapitalistischen Utopie, zum perfekten ökonomischen Nicht-Ort: Ich komme zu mir selbst, indem ich ins Büro gehe.

Arbeitsplatzdesign ist keine optische sondern soziale Aufgabe

Vor allem Konzerne der Technologiebranche entgrenzen das Büro sowohl räumlich als auch inhaltlich. Das Büro wird erst auf das ganze Firmenareal und schließlich auf das gesamte Leben der Angestellten ausgeweitet. Egal, wo die Mitarbeitenden sitzen, gehen, stehen, liegen, essen oder schlafen – immerzu sind sie im Büro.
Eigens geschaffene Wohnräume mit angedockten Wellness-Centern, Fitnessbereichen und Schwimmbädern erzeugen ein Flair heiterer Ungezwungenheit, suggerieren urlaubsähnliche Hochstimmung und bedienen so die Sehnsucht nach allzeitlicher Individualisierung.
Lange wurde diese Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben als Blaupause für ein ökonomisch wie hedonistisch attraktives Lebensmodell gepriesen. Heute sehen wir: Die Idee von der botanischen Kraft des Büros ist eine soziale Zumutung. Wer seine Angestellten in Gewächshäuser steckt, verrät ein Menschenbild, das kein Unternehmen auch nur in Erwägung ziehen sollte. Das Design von Arbeitsplätzen ist eine soziale Aufgabe – und sie wird umso wichtiger, je weniger das Büro als definierter Raum präsent ist.

Daniel Hornuff, geboren 1981. Nach zahlreichen Lehraufträgen und Stipendien hat er derzeit eine Vertretungsprofessur für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule der Universität Kassel. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik, Komparatistik, Kunstwissenschaft und Philosophie, promovierte er 2009 und habilitierte sich 2013. Er legte etliche Publikationen zu Themen der Kunst- und Bildwissenschaft sowie zur Kulturgeschichte vor.

Daniel Hornuff
© Felix Grünschloß
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