Arbeitsmarkt fehlen Arbeitskräfte

Flüge gestrichen, Restaurants geschlossen

08:23 Minuten
Reiseverkehr zum Start in die Pfingsttage am Flughafen BER
Reisende sollten derzeit ausreichend Zeit an deutschen Flughäfen einplanen. Wegen Personalmangel kommt es zu Flugausfällen und Verspätungen. © picture alliance/dpa
Enzo Weber im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Ob an Flughäfen, auf dem Bau, in Kinos oder Restaurants: In vielen Branchen fehlen derzeit Arbeitskräfte. Das liegt vor allem an der Coronakrise, aber nicht nur: Das Problem habe auch demografische Gründe, sagt der Arbeitsmarktexperte Enzo Weber.
Mit Beginn der Urlaubszeit in Deutschland haben die Fluggesellschaft Lufthansa und ihre Tochterunternehmen Eurowings und Swiss mehr als tausend Flüge gestrichen. Grund für die Flugausfälle ist nach Unternehmensangaben vor allem fehlendes Personal.
Nach gut zwei Jahren Coronapandemie gibt es sowohl an den Flughäfen als auch bei den Gesellschaften selbst zu wenig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Andere Wirtschaftszweige, wie beispielsweise die Gastronomie, stehen vor dem gleichen Problem.

"So schnell ist der Arbeitsmarkt nicht"

"Die kontaktintensiven Branchen haben sehr schnell wieder aufgemacht und mussten Personal aufbauen, das sie in der Krise abgebaut hatten", erklärt Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, den Personalmangel. "So schnell ist der Arbeitsmarkt aber einfach nicht."

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Viele Arbeitsverhältnisse seien auf Kurzarbeit umgestellt worden, zudem gab es keine Neueinstellungen, so der Experte weiter. "Wenn man über einen längeren Zeitraum weniger Leute einstellt, sinkt einem die Beschäftigung weg." In der Gastronomie komme dann auch noch die seit jeher bestehende Fluktuation hinzu.

Angebot kann Nachfrage nicht decken

Auf 1,7 Millionen unbesetzte Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt kommen aktuell rund 2,2 Millionen arbeitslose Menschen. Das heißt aber nicht, dass die Stellen einfach besetzt werden können. "So einfach ist es nicht", sagt Weber. Jobvergabeverfahren seien oft langwierig. "In den 2000ern hatten wir eine Zeit der Massenarbeitslosigkeit. Heute sind wir deutlich näher an Vollbeschäftigung, aber das bedeutet auch, dass zusätzliche Leute schwer zu bekommen sind", erläutert der Arbeitsmarktexperte.
"Im Moment scheiden knapp 400.000 Menschen mehr aus Alterungsgründen in den Ruhestand aus, als pro Jahr aus dem Bildungssystem nachkommen", sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Mit dem Renteneintritt der sogenannten Babyboomer-Generation werde sich die Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften noch verschlimmern, warnt Weber. "Da müssen wir mit Migration und anderen Maßnahmen gegensteuern."
Porträt von Enzo Weber
"So schnell ist der Arbeitsmarkt nicht": Enzo Weber ist Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg.© picture alliance / IAB/dpa

Was Beschäftigte sich wünschen

Neben einer besseren Integration von Menschen aus dem Ausland in den Arbeitsmarkt sieht der Wirtschaftsforscher vor allem Potenzial in der Minijobbranche. "Befragungen zeigen, dass viele Minijobber deutlich mehr arbeiten würden, wenn man andere Arbeitsformate finden würde."
Ein weiterer Kernpunkt sei der Wunsch vieler Arbeitnehmer:innen nach selbstbestimmter Arbeit und einer souveränen Arbeitszeit. "Um attraktiv zu sein, muss man neue Organisationsformate finden, den Beschäftigten mehr anbieten können", rät Weber. Flexiblere Arbeitszeiten und -verhältnisse erforderten allerdings auch eine Anpassung der Betriebsabläufe.
(lsc)
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